Nelly Gawellek im Gespräch mit Theresa Brüheim
Vertrauen und Solidarität durch persönlichen Kontakt – ist das der große Vorteil von regionalen Netzwerken von und für Frauen/FLINTA? Diese Fragen und mehr beantwortet Nelly Gawellek, Vorstand des im Rheinland tätigen Netzwerkes And She Was Like: BÄM!, im Interview mit Theresa Brüheim.
Was macht And She Was Like: BÄM! aus? Wie ist das Netzwerk aktuell aufgestellt?
And She Was Like: BÄM! ist eine Initiative, die 2015 von Lisa Long, Leonie Pfennig, Luise Pilz, Lisa Pommerenke und Yvonne Rundio – fünf Frauen aus dem Kunst- und Design-Bereich im Rheinland ins Leben gerufen wurde. Ziel war und ist es, die Sichtbarkeit von Frauen/FLINTA in diesen Sparten zu stärken. Mittlerweile operieren wir als eingetragener Verein mit über 100 Mitgliedern und einem weitaus größeren deutschlandweiten Netzwerk. Die organisatorischen Aufgaben stemmen wir ehrenamtlich im Vorstand mit einem Teil der Gründer*innen und der Unterstützung einiger Vereinsmitglieder.
Was sind Ihre Arbeitsschwerpunkte? Auf welche Erfolge blicken Sie bereits zurück?
Wir wollen Möglichkeiten zur Vernetzung und zur (Selbst)-Bildung anbieten. Hierfür haben wir verschiedene Veranstaltungsformate entwickelt, wie den Stammtisch als „Safe Space“ für persönliche Begegnungen oder Abendschulen und Workshops, die mit externen Gäst*innen online oder offline oder in Zusammenarbeit mit Institutionen stattfinden und Schwerpunktthemen behandeln. Die Online-Abendschule „Kunstmarkt, aber wie?“, die sich an bildende Künstler*innen richtete, machte mit 90 Teilnehmer*innen den Bedarf an niedrigschwelligen und praktischen Angeboten deutlich.
Parallel dazu schaffen wir mit der Teilnahme an Diskussionsrunden und unseren Veröffentlichungen wie dem Newsletter, dem Online-Magazin und Publikationen, Sichtbarkeit für Themen, zuletzt etwa mit dem Band „Work in Progress. Gespräche über Arbeit“, der zwölf Frauen aus der Kunstbranche in Interviews vorstellte.
Immer mehr entwickelt sich BÄM! auch zu einer Plattform für Initiativen der Mitglieder, so gründete sich z. B. in der Coronazeit der Arbeitskreis „art and fair practice“, der mit Aktionen in Köln auf die prekären Arbeitsbedingungen von Künstler*innen aufmerksam machte.
Welche Vorteile, aber auch Nachteile bietet ein regionales Netzwerk wie And She Was Like: BÄM! – insbesondere auch gegenüber bundesweiten Netzwerken – aus Ihrer Perspektive?
Als regionale Initiative im Rheinland hat unser Netzwerk den Vorteil, dass die hier ansässigen Mitglieder sich meist persönlich kennen. Das erzeugt Vertrauen und Solidarität und hat den Effekt, dass man sich gegenseitig „auf dem Schirm hat“, etwa Personen für Projekte vorschlagen kann. Aus diesem Impuls ist BÄM! entstanden: Es gibt so viele Akteur*innen, die in NRW großartige Arbeit machen. Wir wollten uns kennenlernen, um uns gegenseitig unterstützen zu können. Mittlerweile erstreckt sich unser Netzwerk weit über die Grenzen von NRW. Unsere Aktivitäten werden auch außerhalb des Rheinlands wahrgenommen und wir werden für Veranstaltungen deutschlandweit angefragt.
Welche Impulse nehmen Sie in Ihrem Netzwerk wahr? Können Sie Themenschwerpunkte identifizieren, die in Ihrem Netzwerk aktuell an Bedeutung gewinnen?
Wir sind keine starre Organisation. Unsere Arbeit zeichnet sich vielmehr dadurch aus, dass wir flexibel auf Bedürfnisse und Diskurse reagieren können. Während der Pandemie gehörten dazu beispielsweise praktische Unterstützungsangebote zur Beantragung von Finanzhilfen oder Online-Veranstaltungen zum Austausch. Aktuell beschäftigen uns der strukturelle Machtmissbrauch in der Kulturszene, Rassismus und antidemokratische, frauen- und queerfeindliche Strömungen und wir wollen unsere Reichweite dazu nutzen, um auf diese Themen aufmerksam zu machen und uns und unsere Mitglieder im Umgang damit zu stärken.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse in Ihrer bisherigen Netzwerkarbeit?
Mit dem ursprünglichen Ziel, die Sichtbarkeit von Frauen im Kunst- und Kulturbetrieb zu erhöhen, war die Erkenntnis, dass Diskriminierung auf verschiedensten Ebenen wirken kann, wesentlich für unsere Ausrichtung. Wir verstehen uns daher als intersektionale, queer-feministische Initiative. BÄM! richtet sich an FLINTA, an alle Menschen, die Erfahrungen basierend auf geschlechterbasierten Ungleichheitsverhältnissen gemacht haben. Wir müssen nicht in Konkurrenz zueinander treten, so wie es die meisten von uns gelernt haben, sondern profitieren voneinander, von unseren verschiedenen Erfahrungen und Kenntnissen.
Eine weitere Erkenntnis ist leider auch, dass institutionelle Netzwerkarbeit kaum gefördert wird. Die Förderlandschaft zielt vor allem auf Projekte ab, bei denen am Ende ein Ergebnis präsentiert wird. Der Großteil unserer Arbeit ist aber unsichtbar, passiert hinter den Kulissen.
Nelly Gawellek ist Kunsthistorikerin und im Vorstand von And She Was Like: BÄM! Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
Dieser Text ist Teil des Dossiers „Vernetzt – Frauennetzwerke“. Die einzelnen Beiträge des Dossiers werden durch Bilder der Künstlerin Stephanie Jünemann begleitet.