Konfliktlinien aufgezeigt
Yvonne de Andrés
Von einer „Spaltung der Gesellschaft“ ist oft die Rede. Aber ist die Gesellschaft heute wirklich gespaltener? Die Autoren zeichnen ein aufschlussreiches Bild der heutigen Gesellschaft. Auf der Basis von Fokusgruppen und einer repräsentativen Umfrage greifen sie die großen aktuellen Debatten auf.
Das häufig gezeichnete Bild einer gespaltenen Gesellschaft widerlegt ihre detaillierte Studie und zeigt stattdessen eine zerklüftete Konfliktlandschaft mit unterschiedlich verlaufenden Gräben, aber auch einem Grundkonsens in der Mitte der Gesellschaft.
Die Autoren identifizieren vier zentrale Ungleichheitsarenen, in denen sie die Konfliktlinien und ihre sozialstrukturelle Verankerung nachzeichnen: Sozioökonomie (oben-unten), nationale Zugehörigkeit (innen-außen), Identitätsdebatte (wir-sie) und Klimadebatte (heute-morgen). Sie konstatieren eine starke Politisierung der gesellschaftlichen Ränder und heben die Emotionalisierung der Debatten um bestimmte politische Themen hervor. Die Autoren beschreiben Triggerpunkte, an denen sich Konflikte zuspitzen: bei empfundener Ungleichbehandlung, Normalitätsverletzungen, Abgrenzungsängsten und Verhaltenszumutungen.
Die Analyse zeigt, dass ohne Kompromissbereitschaft keiner dieser Konflikte zu lösen ist. Der Spielraum für gesellschaftliche Verständigung ist vorhanden und muss genutzt werden, wobei alle gesellschaftlichen Akteure gleichermaßen in die Pflicht genommen werden.
Das Buch bietet einen differenzierten und ermutigenden Blick auf die gesellschaftlichen Herausforderungen und appelliert an die Verantwortung aller. Es richtet sich an alle, die die Muster hinter den aufgeheizten Debatten um Reizthemen verstehen wollen und nach Ansatzpunkten für eine Politik des gesellschaftlichen Zusammenhalts suchen. Ein viel diskutiertes Buch, das sich zu lesen lohnt.
Steffen Mau/Thomas Lux/Linus Westheuser. Triggerpunkte. Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft. Berlin 2023.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 07-08/24.