Die Juristin Claudia Schmitz ist neue Geschäftsführende Direktorin des Deutschen Bühnenvereins
Claudia Schmitz, 1970 geboren, hat an der Universität Trier Rechtswissenschaften studiert, war danach von 1996 bis 2000 am Nationaltheater Mannheim als Referentin des Generalintendanten tätig und leitete anschließend bis 2002 das Künstlerische Betriebsbüro am Musiktheater der Theater und Philharmonie Essen. Von 2002 bis 2006 war sie als Verwaltungs- und Organisationsleiterin mitverantwortlich für die Gründung des JES – Junges Ensemble Stuttgart. Nach weiteren Stationen in Göttingen und Braunschweig war sie seit der Spielzeit 2016/17 Kaufmännische Geschäftsführerin am Düsseldorfer Schauspielhaus. Seit dem 1. Januar 2022 ist sie Geschäftsführende Direktorin des Deutschen Bühnenvereins. Die Volljuristin wurde in das Amt gewählt und ist damit Nachfolgerin von Marc Grandmontagne, der nach fünf Jahren sein Amt abgegeben hat.
Das Theater kennt sie seit ihrer Kindheit und Jugend: „Meine Eltern hatten ein Abonnement, und darüber habe ich Theater schon früh kennen und schätzen gelernt – als einen Ort, an dem über fundamentale Themen des Lebens und gesellschaftliche Werte verhandelt wird. Das hat mich als junger Mensch sehr beeindruckt.“ Auch während ihrer Schulzeit bleibt sie eng mit dem Theater verbunden: „Ganz besonders in Erinnerung geblieben ist mir dabei der Besuch von Harald Muellers Dystopie ‚Das Totenfloß‘. Schon da entstand bei mir der Wunsch, in diesem Bereich tätig zu werden.“ Auch während ihres Jurastudiums hat sie dieses Vorhaben konsequent weiterverfolgt bis hin zu einer Regieassistenz am Stadttheater Trier. Ihre „andere“ Ausbildung blieb ihr dabei immer wichtig: „Jura ist eine gute Grundausbildung. Zum einen lernt man dialektisches Denken und auf der anderen Seite, Prozesse zu moderieren. Das sind beides Dinge, die man auch im kulturellen Bereich gut anwenden kann. Für mich war und ist das eine sehr glückbringende Synthese.“
Stationen des Berufslebens
Besonders dankbar ist sie dafür, an der Gründung des JES – Junges Ensembles Stuttgart maßgeblich beteiligt gewesen zu sein. Die Landeshauptstadt Baden-Württembergs hatte sich 2002 dazu entschlossen, ein kommunal gefördertes Kinder- und Jugendtheater zu gründen. „Das ist ja eine absolute Seltenheit, und ich hatte die Gelegenheit als Verwaltungsleiterin zusammen mit der Intendantin Brigitte Dethier diesen Plänen Form, Inhalt und Leben zu geben. Das war und ist eine nicht nur reizvolle, sondern auch sehr erfüllende Aufgabe, weil man sich sehr stark einbringen kann in so eine Gründung. Und sie ist besonders dann erfüllend, wenn etwas wie in Stuttgart passiert: Wenn darüber Kinder und Jugendliche einen neuen Ort in der Stadt generieren, an dem ihre Themen verhandelt werden. Dafür steht das Junge Ensemble Stuttgart.“
Transparenz und Offenheit
Von 2016 bis 2020 wurde unter ihrer Kaufmännischen Geschäftsführung das Düsseldorfer Schauspielhaus in drei Phasen saniert. Eine davon war die Sanierung und Modernisierung der öffentlichen Bereiche: „Wir haben zusammen mit dem Architekten Christoph Ingenhoven und mit großem Respekt vor dem Architekten Bernhard Pfau, der das Schauspielhaus gebaut hat, die Publikumsbereiche, also die Foyers, die Garderoben, die Kasse, aber auch das Theaterrestaurant restauriert und modernisiert. Und modernisiert bezieht sich vor allem auf die Herstellung von Barrierefreiheit aller Spielstätten. Wir haben zudem Transparenz geschaffen: Der Pfau-Bau hatte ursprünglich eine bronzierte Glasfassade im Erdgeschoss, und wenn Sie da reinschauten, dann hatten Sie den Eindruck, Sie schauen einen Menschen an, der eine verspiegelte Sonnenbrille trägt, das heißt, es gab eine gewisse Abschottung der Besucher von der Außenwelt. Jetzt wurde eine Klarglasfassade eingebaut. Die Besucher können nun im Frühling wieder in den wunderschönen Hofgarten schauen und auch umgekehrt Menschen von außen in das Haus blicken. Das ist uns, sowohl dem Intendanten Wilfried Schulz als auch Christoph Ingenhoven und mir sehr wichtig, weil wir davon überzeugt sind, dass ein Stadttheater im dritten Jahrtausend transparent und offen sein muss.“
Corona und Kultur
Claudia Schmitz sieht mit Besorgnis die Verhärtungen und tiefen Gräben in der Gesellschaft durch die Pandemie und den dadurch oftmals fehlenden „heilsamen Aspekt der Kultur“ in Theatern und Konzerthäusern: „Corona ist für die Menschen weltweit eine riesige Herausforderung oder besser gesagt eine Überforderung. Das erleben wir jeden Tag miteinander und auch, was es für den gesellschaftlichen Diskurs bedeutet. Die Gesellschaft beginnt sich zu spalten. Ich führe das auch darauf zurück, dass Theater eingeschränkt waren und dadurch einen Teil ihrer Wirkkraft eingebüßt haben, ihre fundamentale und heilsame Wirkung nicht haben einsetzen können. Theater sind die Orte, wo wir über das Leben sprechen, wo wir uns Fragen über das Leben stellen, wo wir unser Wertesystem hinterfragen und überprüfen. Und wenn diese Orte geschlossen werden oder nur für einen ganz kleinen Teil unter hohen Auflagen für Menschen zur Verfügung stehen, dann macht das etwas mit der Gesellschaft.“
Klare Bekenntnisse der Kulturpolitik gefordert
Dennoch ist sie zuversichtlich: „Die Bühnen werden sich den Weg in die Mitte der Gesellschaft wieder zurückerobern, davon bin ich überzeugt. Das ist ein Weg, der Anstrengung kostet und sicher auch die ein oder andere Überlegung, ob ich andere Erzählformen brauche, um die Menschen wieder neu zu erreichen und neu zu gewinnen, in die Häuser zu kommen. Was aber ganz wichtig ist, dass sich die Kulturpolitik zu den Einrichtungen und auch zu den Zusagen der Vergangenheit bekennt.“
Verbandsarbeit
Claudia Schmitz war während ihrer 25-jährigen beruflichen Karriere bereits in verschiedenen Ausschüssen im Deutschen Bühnenverein aktiv: „Weil ich es sehr wichtig finde, dass es einen Dachverband gibt, der die Interessen und die Aktivitäten bündelt und zusammenfasst.“ Für ihre neue Aufgabe sieht sie sich gut gewappnet, auch wenn die Herausforderungen klar ersichtlich sind: „Nach meiner Beobachtung ist die Pandemie für viele Prozesse in den Theatern wie ein Brandbeschleuniger gewesen. Es sind viele Initiativen entstanden oder bestehende Initiativen haben sich verstärkt, die sich mit der Struktur an den Häusern beschäftigen. Die Aufgabe des Verbandes ist es jetzt, diese Themen zu bündeln und voranzutreiben.“
Anstehende Gespräche mit den Gewerkschaften zur Weiterentwicklung der Tarifverträge, die Verhandlung des wertebasierten Verhaltenskodex, also seine Implementierung in den Häusern, aber auch die Themen Nachhaltigkeit und Diversität sollen die Schwerpunkte der Arbeit in der nahen Zukunft sein. In Richtung Kulturpolitik sind ihr Themen wie das Sozialversicherungsrecht, Absicherung von hybridbeschäftigten Künstlern, von Selbständigen, von kurzzeitig Beschäftigten wichtig. „Da gibt es schon regen Austausch zwischen Verband, Kulturpolitik und Theatern, und der muss fortgeführt und intensiviert werden. Ich habe den Eindruck, dass die pandemiebedingten Notlagen bei vielen Künstlern zumindest teilweise über Hilfsprogramme kompensiert werden konnten; dass in der Politik eine Sensibilität entstanden ist, diese Themen entsprechend anzugehen und für die Zukunft nachhaltige und gute Lösungen zu finden.“
Zukunftswunsch
Außerdem hat Claudia Schmitz eine klare Vision: „Ich wünsche mir, dass die Theater und Konzerthäuser wieder öffnen können und den Menschen wieder die Orte sein können, die sie so sehr brauchen. Die Orte des Austauschs, der Diskussion, des Diskurses. Da ist eine ganz große Sehnsucht, dass man diese Orte – wenn die Pandemie überstanden ist – ohne Einschränkungen aufsuchen kann. Ich freue mich auf viele neue Erzählungen in den Theatern, ich bin gespannt auf die Denkanstöße. Ich glaube fest, dass die Theater wirklich eine heilsame Wirkung entfalten können, und ich hoffe sehr, dass das bald wieder möglich ist.“
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 02/2022.