Geschlechtergerechtigkeit: Die Situation von Frauen in Kultur und Medien
Katrin Budde
Den Equal Pay Day und den Internationalen Frauentag hat der Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages in diesem Jahr zum Anlass genommen, erneut über die Situation von Frauen in Kultur und Medien zu sprechen.
Der Equal Pay Day stand dieses Jahr unter dem Motto „Die Kunst der gleichen Bezahlung“. Und das scheint wirklich eine Kunst zu sein, denn der Gender-Pay-Gap liegt deutschlandweit bei 18 Prozent, im Kulturbereich sind es durchschnittlich 20 Prozent. Diese Lohnlücke variiert aber von Sparte zu Sparte, so beträgt sie z. B. bei den darstellenden Künsten bis zu 34 Prozent. Und, das haben die geladenen Expertinnen ebenfalls klar benannt: Der Gender-Pay-Gap ist in klassischen Frauenberufen besonders hoch, in den technischen Berufen ist er niedriger.
Doch nicht allein die ungleiche Bezahlung zwischen den Geschlechtern macht es schwierig für Frauen in dieser Branche. Frauen bekommen auch weniger Aufmerksamkeit, z. B. werden die meisten inszenierten Stücke von Männern geschrieben, sie sind nur halb so oft als „Expertinnen“ im Fernsehen präsent. Auch diesen Gender-Show-Gap gilt es zu überwinden, damit Frauen mehr Einkommen im Berufsleben und damit auch im Alter mehr Geld in der Rente haben. Denn beides gehört zwingend zusammen.
Dafür müssen unter anderem Rollenstereotype überwunden werden. Es ist nicht per se so, dass Männer mehr Durchsetzungskraft haben und es Frauen an Professionalität mangelt. Frauen sind mehr als Expertinnen für Familie und Partnerschaft, sie haben sehr viel mehr Expertisen, Qualitäten und Kompetenzen. Und auch das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ steckt in der Kulturbranche mehr noch als in anderen Branchen in den Kinderschuhen. Für viele Frauen bedeutet das Mutterwerden das Ende der Karriere, weil sie meist diejenigen sind, die die Familienarbeit leisten. Damit gehen wichtige Netzwerkkontakte verloren, können aufgrund von Zeitmangel oft nicht mehr gepflegt werden. Für mich überraschend, aber in Studien nachgewiesen ist, dass Frauen oftmals wegen ihrer Mutterschaft diskriminiert werden und ihre Kunstwerke danach weniger wert sind.
Für einen Teil der Probleme gibt es einfache Veränderungsmöglichkeiten. Umso erstaunlicher, dass sie noch nicht Realität sind. So sind die Zeiten für Theaterproben nicht familienfreundlich, sie sind oft abends und am Wochenende. Warum nicht grundsätzlich zwischen 9 und 17 Uhr geprobt wird, ist deshalb nicht nachvollziehbar. Wie bei so vielen Dingen bezüglich Familienfreundlichkeit und Gleichberechtigung sollten wir uns ein Beispiel an skandinavischen Ländern nehmen, die werktags in der Zeit zwischen 10 Uhr und 16 Uhr proben.
Auch angesprochen und eingefordert wurde von den Expertinnen eine Förderfähigkeit von Kinderbetreuungskosten bei öffentlich geförderten Projekten. Richtig so!
Im Kulturausschuss, aber auch in vorangegangenen Gesprächen sind die Themen sexuelle Belästigung, Gewalt und Machtmissbrauch mit deutlichen Worten bedacht worden. Sie sind ebenfalls ein großes Problem in der Kulturbranche. Die Themis-Vertrauensstelle, die aus der Branche heraus entstanden ist, ist für Frauen eine wichtige Institution und Anlaufstelle, die aber nur für sexuelle Belästigung und Gewalt zuständig ist, nicht für andere Formen der Diskriminierung. Hier müssen andere Maßnahmen und Regeln greifen, wie z. B. das Arbeitsrecht. Oftmals werden solche Vorfälle verschwiegen, weil die betroffenen Frauen berufliche Nachteile fürchten, sie befürchten, dass man ihnen nicht glaubt, oder sie geben sich sogar eine Mitschuld. Deshalb müssen wir mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Themenbereiche im Bundestag reden und Lösungen finden.
Und dann der, leider immer noch Klassiker: Frauen sind auch in Führungspositionen der Kulturbranche unterrepräsentiert. So sind z. B. von den 129 Generalmusikdirektorinnen und -direktoren nur vier weiblich. Auch in den Leitungs- und Verwaltungsbereichen von Kultureinrichtungen fehlen Frauen.
Was also kann und muss Politik beitragen, um die Situation von Frauen in Kultur und Medien zu verbessern? Fördermittel des Bundes müssen sich an der Gleichstellung orientieren, es braucht Basishonorare, Gehaltstransparenz und festgelegte Standards z. B. bei den Arbeitsbedingungen. Ebenso sollte die Besetzung von Jurys und anderer Gremien streng Diversität berücksichtigen. Hier muss der Bund mit gutem Beispiel vorangehen. Nicht alles lässt sich im originären Kulturbereich verändern. Insbesondere mit den Politikfeldern Arbeit und Soziales muss es zukünftig eine noch engere Zusammenarbeit geben. Zudem sollten wir bestehende Regelungen, wie z. B. das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, in dem auch soziale Pflichten der Arbeitgeber definiert sind, bekannter machen und bei der Durchsetzung unterstützen.
Doch Übergriffe und Diskriminierungen können wir nicht allein gesetzlich regeln. Dafür brauchen wir ein gesellschaftliches Umfeld, das sensibilisiert ist. Mehr Wissen, Schulungen und eine Kultur des Hinschauens können weiterhelfen.
Künstlersozialversicherung, Urheberrecht, Steuerrecht müssen auch angepasst werden, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Soweit es möglich ist, müssen auch anonymisierte Auswahlverfahren geprüft werden.
Für die Filmbranche könnte es schon bald Verbesserungen geben, denn eine große Novelle des Filmförderungsgesetzes steht an. Dabei sollten wir Parität, Diversität und Inklusion für öffentliche Förderungen festschreiben. In der Diskussion über diese Novelle muss auch geprüft werden, ob man eine Quote oder ein Punktesystem einführt, um beim Thema Gleichstellung und Chancengleichheit voranzukommen. Andere europäische Länder machen uns vor, wie es geht.
Frauen haben ein immenses Potenzial, das nicht genügend genutzt wird. Unsere Aufgabe als Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitiker ist es, dieses zu heben, um unsere Kulturlandschaft noch vielfältiger, bunter und attraktiver zu machen. Und das nicht nur am Equal Pay Day und am Internationalen Frauentag, sondern täglich.
Katrin Budde ist Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5|23.