Das Ida-Dehmel-Jahr 2020
Von Susanne Meier-Faust
Zu Ehren der GEDOK-Gründerin Ida Dehmel, die vor 150 Jahren in Bingen am Rhein geboren wurde, rief die GEDOK als Bundesverband das Ida-Dehmel-Jahr 2020 aus. Gleich zu Beginn gab es zum Geburtstag am 14. Januar in vielen der 23 Regionalgruppen Auftaktveranstaltungen.
Über das Jahr verteilt waren als Höhepunkte verschiedene Preisvergaben in Kunstdisziplinen geplant, die Ida Dehmel bereits konstituierend für die Künstlerinnen-Mitglieder vorsah: im März Bildende Kunst in Bonn, im Juni Literaturpreise in Hamburg, im September Internationaler Komponistinnen-Wettbewerb sowie die Ausstellung für Angewandte Kunst in München. Die Literaturveranstaltungen wurden coronabedingt auf November verschoben, was zu ihrem Wegfall führte. Corona-Bedingungen herrschten bereits, als im März erstmals der Ida Dehmel-Preis für Bildende Kunst im Bonner Kunstmuseum verliehen wurde. Die Erstmaligkeit wurde dadurch unterstrichen, dass 2020 drei ehemalige GEDOK-Präsidentinnen die Preisstifterinnen waren. Die angekündigte Ida Dehmel-Literaturpreisverleihung an Ulrike Draesner war im Hamburger Literaturhaus und im Dehmel-Haus vorgesehen, ebenso der Literaturförderpreis.
Die Kompositionspreisverleihungen mit Konzert im Gasteig und die GEDOKFormART-Preisvergaben für Angewandte Kunst in der Handwerkskammer fanden zwar statt, aber mit einem akribischen Corona-Konzept vor handverlesenem Publikum. So hatte die GEDOK sich dieses Ida-Dehmel-Jahr nicht vorgestellt: Das Gedenkjahr wurde zu einem Spiel zwischen Hoffen und Bangen. Dabei ging es nicht nurum Orte mit Zusagen und Absagen, sondern auch um Filmdokumentationen mit zusätzlichen Förderanträgen und Bewilligungen, um digital das Publikum zu erweitern. Nun sind zwei Filme auf der GEDOK-Webseite und auf YouTube eingestellt: Konzertausschnitte mit Uraufführungen vom Internationalen Komponistinnen-Wettbewerb sowie die Vergaben der Elke und Klaus Oschmann-Preise für Porzellan, Schmuckobjekt und Temporäre Materialinszenierung. Mit den organisatorisch und finanziell herausfordernden Preisvergaben erfüllt die GEDOK einen Teil ihrer satzungsgemäßen Ziele, den der Förderung von Künstlerinnen.
Die Interdisziplinarität und die Gemeinschaft von zwei Mitgliedsgruppen sind Alleinstellungsmerkmale der GEDOK seit ihrer Gründung. Der Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstfördernden – so die aktuelle Aufschlüsselung des Akronyms GEDOK – vertritt die Vielfalt der Sparten, heute Fachdisziplinen bzw. Sektionen genannt, mit deren interdisziplinären Möglichkeiten. Auch die Gemeinschaftsbildung von zwei gesellschaftlichen Gruppen mit einem gemeinsamen Ziel ist die grundlegende Idee von Ida Dehmel. Diesem Zusammenschluss von Mäzeninnen bzw. Stifterinnen und Künstlerinnen, von Fördernden und Geförderten entspricht auch die Struktur des GEDOK-Bundesvorstandes. Hier arbeiten Künstlerinnen wie Kunstfördernde aktiv zusammen – Letztere oft mit einem Beruf im Bereich der Künste. Die gemeinnützig tätige GEDOK akquiriert alle Mittel für Projekte bzw. Veranstaltungen als Künstlerinnenförderung. Diese Interessenvertretung umfasst aktives Mitwirken in den nationalen Gremien. Auf der europäischen Ebene fand 1999 ein GEDOK-Symposion in Berlin statt und zum 75-jährigen Bestehen 2001 war die Verbindung mit entsprechend ausgerichteten europäischen Verbänden angekündigt. Anzuknüpfen wäre an den ursprünglichen Zusammenschluss mit Künstlerinnenvereinen in Österreich. Die strukturierte Vernetzung mit europäischen Organisationen ist ehrenamtlich jedoch kaum leistbar.
Nach diesem unvorhersehbaren Ida-Dehmel-Jahr wird die GEDOK im Rahmen ihrer verbandlichen Arbeit sich vielfältigen Aufgaben wie diesen weiterhin stellen: Erhaltung von Preisen in den Kunstdisziplinen, Stiftung von Preisen für inter- und transdisziplinäre Werke, Neugründung von Regionalgruppen, Digitalisierung des Archivs, Europäische Vernetzung, Denkmalausschreibung zum 100-jährigen Bestehen und vielen anderen.
Das Ida-Dehmel-Jahr ist zugleich ein von der Pandemie geprägtes Jahr, in dem die Zusammenstellung und Weiterleitung der nationalen und länderspezifischen Förderprogramme an die Künstlerinnen einige der vielfältigen Aufgaben waren. In den Nach-Corona-Zeiten stellen sich erweiterte Herausforderungen – auch als kulturpolitische Strategien angesichts des Einbruchs der Kultur. Der Versuch aber, an Formen bisherigen Kulturerlebens anzuknüpfen, ist für den Stellenwert von Kultur auf der Ebene der Persönlichkeitsbildung eminent wichtig. Es geht um Erlebnis von Gemeinschaft, Gemeinschaftsbildung mit dem Angebot kollektiver Erfahrung für den einzelnen Menschen. Der Verlust gemeinschaftlichen Erlebens bei Identität von Zeit und Raum hat viele Menschen spüren lassen, dass Kultur und Kunst daseins- und lebensrelevant sind. So gilt es, in Nach-Corona-Zeiten die nachhaltige Förderung durch Strukturmaßnahmen, statt durch vielerlei Projekte einzufordern, gilt es, strategisch mit anderen Kulturverbänden eine Gesetzesänderung zur Verankerung von Pflichtleistungen im Kunst- und Kulturbereich – Stichwort »kulturelle Daseinsvorsorge« – zu fordern.
Susanne Meier-Faust ist Kunsthistorikerin, Kuratorin und Vizepräsidentin der GEDOK.
Ida Dehmel war eine große Kunstförderin und Frauenrechtlerin. Ihren Salon machte sie zu einem Forum für neue Talente. 1926 gründete sie den Künstlerinnenverband GEDOK. Mit dem Nationalsozialismus verlor sie als Jüdin ihre gesellschaftlichen Ämter, 1942 nahm sie sich das Leben.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2020-01/2021.