Anne Beyrer – Kaufmännische Leiterin und Stellvertretung des Geschäftsführers bei den Rundfunkorchestern und Chören Berlin.
29. Oktober 2021
Das Mentoringprogramm hat mich genau zum richtigen Zeitpunkt erwischt. Nach vier Jahren Controlling am Staatstheater Karlsruhe hatte ich Lust auf mehr Verantwortung und die Chance bekommen, als Verwaltungsleiterin der Volksbühne anzufangen. Erst noch auf zwei Jahre befristet wurde mir gesagt, dass ich dann auf jeden Fall übernommen werde, weil die unbefristete Stelleninhaberin nicht zurückkehrt. Doch nachdem das erste Jahr herum war, kam Corona und auf einmal wurde alles etwas vage. An dieser Stelle begann das Mentoring. Und ich wollte einzig und allein die Frage klären, wie ich bleiben und entfristet werden kann.
Um das Ergebnis meines Mentorings vorauszuschicken: Ich bekam das ersehnte Angebot, zu bleiben, bin aber am Ende freiwillig gegangen. Meine Mentorin Susanne Litzel war von Anfang an der Meinung: Alles geht irgendwie, man muss es halt nur machen. Gleich beim ersten Treffen teilte sie mir ihr präferiertes Modell mit: Ein Leitungs-Tandem. Zwei Frauen auf einer Intendanz, arbeiten halb und teilen das entsprechende Gehalt durch zwei. Je nach Theater ist das ja kein schlechter Stundenlohn. In meinem Kopf ratterte es sofort: „Ist das nicht zu viel verlangt? Das Leben ist doch kein Wunschkonzert.“
Doch mit der Zeit wurde mir klar: Allein die Vorstellung, dass es eines ist, ist auch schon gut. Meine Mentorin machte es vor. Susanne sprühte nicht nur vor Energie und Lebensfreude, sondern war auch wahnsinnig geschickt darin, politisch zu agieren und ihre Botschaften zu platzieren. Was sie aber vor allem hatte war ein offenes Ohr. Irgendwie hatte sie mich ständig auf dem Schirm, immer wieder kamen kleine Nachrichten mit: „Lies mal das“, „Kennst du diese Initiative?“ oder „Magst du zu dieser Veranstaltung auch kommen“?
Wir entwickelten einen Masterplan für die nächsten fünf Jahre und gingen der Frage nach, wie man als Frau in einer Führungsposition glaubhaft, selbstbewusst und wirksam sein kann. Manchmal brachte mir ihr Plaudern aus dem Nähkästchen mehr als meine Unterlagen zu den selbstgewählten Schwerpunkt-Themen Personalentwicklung, Leitung und Sinnfindung, die ich in den halb vereisten Händen hielt, während wir durch die Prachtbauten von Berlin-Mitte spazierten.
In all diese theoretischen Fragen mischte sich bald ein Praxisteil hinein, sozusagen Teil 2 meines Mentoring-Führerscheins, nämlich, die bevorstehende Jobperspektive zu verhandeln. Wir machten zusammen eine To-Do-Liste, bei wem ich binnen der nächsten zwei Wochen welche Anliegen platzieren sollte. Da stand sie dann am Spielfeldrand und spornte mich an, wie ich auf was reagieren soll. Und, dass ich auch einen Plan B brauche.
Und dann machte ich also den Plan B und dieser war, als Kaufmännische Leiterin und Stellvertretung des Geschäftsführers bei den Rundfunkorchestern und Chören Berlin anzufangen. Den Geschäftsführer kannte ich aus anderen Zusammenhängen und mit den Inhalten der Musik fühlte ich mich sehr verbunden, da ich neben BWL auch Musik studiert hatte. Mein Klavierstudium nutzte mir am Ende fast noch für die Jobverhandlungen. Einfach zu denken: es ist ein Spiel.
Ich war also eigentlich auf der Bühne und es ging nicht darum, etwas perfekt abzuliefern, sondern das, was ich geübt hatte, vorzubringen, jederzeit offen, jederzeit bereit, auf mein Gegenüber einzugehen – und auch ein bisschen angriffslustig.
Und so klappte es dann mit dem Jobwechsel, so dass ich sagen kann: Meine Mentorin hat zwar erstmal den Optionsraum gewaltig erweitert und mir ein paar Fragen mehr aufgetischt – ich wollte eigentlich nur die Sicherheit in meinem bisherigen Job – aber dank des Mentorings bin ich „back to music“ gekommen und darf jetzt Wunschkonzerte organisieren.
Neulich wurde ich gefragt, was mir das Mentoring in einem Satz gebracht hat. Und ich antwortete ziemlich direkt: Meine Mentorin hat mich ermutigt, alles zu wollen. Daher mein Appell heute: Macht euch auf zu eurem Wunschkonzert, es gibt noch Tickets!