Diversity Management in Kunst- und Kultureinrichtungen
Ebru Tepecik
Das Zentrum für Kulturelle Teilhabe Baden-Württemberg (ZfKT) hat im Frühjahr 2023 die Initiative für ein Diversity Audit „Uns geht’s ums Ganze! – Diversity Management in Kunst- und Kultureinrichtungen“ (Arbeitstitel) gestartet. Es handelt sich dabei um ein bundesweit einmaliges Programm speziell für Kunst- und Kultureinrichtungen, das erstmals in Baden-Württemberg mit großer Unterstützung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst erprobt und umgesetzt wird. Das Audit befindet sich am Anfang der Entwicklungsphase und soll in einem partizipativen Austausch im Laufe des Jahres 2024 entwickelt werden.
Zielsetzung und Zielgruppe
Neben der notwendigen Repräsentation und Sichtbarkeit gesellschaftlicher Vielfalt im Kunst- und Kulturbereich geht es auch um die Frage der Zukunftsfähigkeit von Kultureinrichtungen, die sich auf die gesellschaftliche Vielfalt und den demografischen Wandel einstellen müssen. Deshalb ist eine diversitätsgerechte Öffnung und Aufstellung von Kultureinrichtungen von hoher Bedeutung. Dafür sind ein klarer Handlungswille, Priorisierung, Ressourcen und ein langer Atem erforderlich, auf die wir uns alle einstellen müssen.
Das geplante Diversity Audit soll hier ansetzen. Das strukturierte Zertifizierungsprogramm soll eine nachhaltige Diversitätsstrategie sowie die strategische Verankerung eines Diversity Managements in Kunst- und Kultureinrichtungen im Sinne einer Organisationsentwicklung unterstützen. Langfristiges Ziel ist es, einen diversitätsorientierten Strukturwandel in Kunst und Kultur zu fördern.
Es ist geplant, den landesgeförderten größeren Kultureinrichtungen in Baden-Württemberg die Teilnahme an dem Diversity Audit zu ermöglichen. Zwei dieser größeren Häuser sind deshalb auch im Entwicklungsteam vertreten und gestalten das Verfahren aktiv mit. Sie werden auch an der Pilotierung teilnehmen, die 2025 starten soll. Einige weitere Kultureinrichtungen werden später einbezogen, welche, wird im laufenden Verfahren entschieden.
Selbstverständnis von Diversity und Diversity Management
Der Begriff „Diversity“ lässt sich mit Vielfalt, Verschiedenheit oder Diversität übersetzen. Er beschreibt die Vielfältigkeit von Menschen, ihre gemeinsamen und unterschiedlichen sozialen Merkmale und Lebenslagen, aber auch ihre individuellen Erfahrungen und Potenziale. Als Kerndimensionen von Diversität werden in der wissenschaftlichen Literatur häufig die »Big 6«, also nationale/ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität in den Blick genommen. Die Charta der Vielfalt hat im Februar 2021 die Dimension soziale Herkunft als 7. Dimension von Diversität ausgerufen. Diversity Management ist ein Steuerungsinstrument für Organisations- und Personalentwicklung, das einen bewussten und wertschätzenden Umgang mit Vielfalt sowie eine Veränderung der Organisationskultur fördert. Elementare Bestandteile des Diversity Managements sind ein ganzheitlicher Ansatz, der alle Mitglieder und Ebenen von Organisationen im Ganzen in den Blick nimmt. Antidiskriminierung und eine intersektionale Perspektive sind weitere Bestandteile. Diversität und Antidiskriminierung sind zwei Seiten einer Medaille und gemeinsam zu denken und umzusetzen. Diversität bedeutet sowohl Potenziale als auch ausschließende Ungleichheitsverhältnisse, die stets zu reflektieren sind. Der intersektionale Ansatz ist ebenso wichtig, um eine Reduzierung von Menschen auf einzelne Differenzmerkmale zu verhindern und dabei einer machtkritischen Perspektive auf Strukturen gerecht zu werden.
Entwicklungs- und Umsetzungsprozess
Inspiriert von dem bewährten Diversity Audit des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft für Hochschulen wird in Kooperation zwischen dem ZfKT und dem Stifterverband das neue Diversity Audit für den Kunst- und Kulturbereich entwickelt. Das bestehende Auditverfahren des Stifterverbandes ist ein prozess- und peergestütztes Zertifizierungsprogramm, das Veränderungsprozesse auf strategisch-struktureller Ebene sowie die Entwicklung einer Diversitätsstrategie unterstützt. Das neue Diversity Audit wird entsprechende Anpassungen mit Blick auf die Rahmenbedingungen und Bedarfe der Kultureinrichtungen erfahren. Es ist ein wichtiges Anliegen des ZfKT, den Entwicklungsprozess des Audits im Rahmen eines möglichst partizipativen und mehrperspektivischen Dialogformats mit unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren zu gestalten. Am 18. Januar 2024 fiel der Startschuss im Rahmen einer Auftaktveranstaltung des ZfKT mit über 25 Teilnehmenden in Stuttgart. Gemeinsam mit unterschiedlichen Expertinnen und Experten wird das Verfahren in einem co-kreativen Prozess über mehrere Monate im Jahr 2024 konzipiert. Im Anschluss geht das Audit ab 2025 zur Erprobung in eine Pilotphase.
Dr. Ebru Tepecik ist Referentin für Diversity in Kunst und Kultur sowie Projektleiterin des Diversity Audits im Zentrum für Kulturelle Teilhabe Baden-Württemberg.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 04/24.