4 Fragen an Andrea Rothaug
Welche Rolle kommt Frauennetzwerken heute zu? Gründerin und Vorstandsmitglied der Music Women* Germany, eines Netzwerks für Frauen in der Musikbranche, Andrea Rothaug, erläutert die Bedeutung von Netzwerken speziell für Frauen.
1. Wie erklären Sie sich den großen Anstieg an Frauennetzwerken in Kultur & Medien?
Ein wichtiger Impuls ging von der Studie „Frauen in Kultur und Medien“ des Deutschen Kulturrates aus, die aufzeigte, wie wenig sich die Zahlen in den letzten zehn Jahren verändert hatten. Eine gesamte Branche war damals gefragt, sich zu diesen Zahlen zu positionieren. Die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters hatte hierzu zu einem Runden Tisch eingeladen, um aus den verschiedenen Kulturbranchen heraus zu eruieren, welche konkreten Handlungsbedarfe bestehen. Die Zusammenkünfte im Rahmen des Deutschen Kulturrates dienten darüber hinaus der Kräftebündelung, um mehr Chancengleichheit in Kultur und Medien zu erreichen. Hier wurde ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt. Es fand eine Vernetzung statt und das Thema wurde in viele Gremien, Ausschüsse und Jurys getragen. Die Entwicklung konkreter Vorschläge war handfest und erzeugte Aufbruchstimmung, die auch zur Gründung der Music Women* Germany und ihrer Ländernetzwerke in Hamburg führte. Mentorinnenprogramme, Meet-ups, Konferenzen taten ihr Übriges – das Thema war in aller Munde.
2. Welche Bedeutung kommt Frauennetzwerken aus Ihrer Erfahrung bei Music Women* Germany zu?
Für die erfolgreiche Etablierung der Music Women* Germany bedurfte es von Anbeginn vieler, offener und engagierter Unternehmerinnen und Führungskräfte, die sich dem Thema annehmen und dieses promoten. Deshalb sah unsere Struktur die Gründung von 16 regionalen Frauennetzwerken in den Bundesländern ebenso vor wie die Zusammenführung der Akteurinnen im Komitee des bundesweiten Dachverbandes und die Teilhabe von bereits bestehenden oder neuen Frauennetzwerken an unseren Veranstaltungen, wie „Network The Networks“, einer Konferenz zur Vernetzung von Akteurinnen in Bund und Land. Notwendig war auch ein klarer Rahmen, der sowohl über regionale als auch über thematische Ausprägungen unserer und anderer Netzwerke definiert werden sollte. Nach unseren Erfahrungen haben Netzwerke eine größere Wirkung, wenn professionell und gemeinsam an Lösungen gearbeitet wird, die für das Gesamtziel Bedeutung haben und bei deren Erarbeitung weibliche und auch männliche Personen eingebunden sind.
3. Welche spezifischen Bedürfnisse bedienen Frauennetzwerke und auf welche Weise? Bieten sie eindeutige Vorteile?
Frauennetzwerke sollten passend gestaltet und zielorientiert sein sowie sich einer oder mehrerer spezifischer Aufgabengebiete verschreiben. So können sie dann auch eine Relevanz entwickeln, die sich in Vielfalt und Gleichberechtigung der Musikbranche niederschlägt und nachhaltig ihre Wirkung entfaltet. Wir haben schon vor der Einführung der Music Women* Germany die wesentlichen „Pain Points“ herausgearbeitet, um diese auch konkret angehen zu können: Präsentation, Qualifikation, Vernetzung sowie die Schaffung von Datenmaterial und Präsenz des Themas Intersektionalität in der Bundeskulturpolitik. Dazu schaffen wir Ereignisse wie Business-Meet-ups, Tagungen, Diversity Workshops, Producer Prize, die Datenbank der Musikfrauen*, Jobportal und andere. Viele Netzwerke sind, wie wir, aber auch Schnittstelle und Kommunikatorin von Themen und Aktionen in der Branche. Hier ist die Reichweite und der Umfang des Angebotsportfolios allerdings bei allen Akteurinnen abhängig von der z. B. öffentlichen Förderung und der individuellen Women*Power, denn auch die Music Women* Germany erhalten keine nachhaltige Förderung auf institutioneller Ebene – wir arbeiten zum großen Teil ehrenamtlich, das ist nicht akzeptabel.
4. Welche Herausforderungen stellen sich bei der Netzwerkarbeit? Was fordern Sie auch von der Politik, um diese zu bewältigen?
Insbesondere der Aufbau großer Netzwerke sowie die kompetente Steuerung und Führung einer ergebnisorientierten Zusammenarbeit haben im Ehrenamt ihre Tücken. Viele Ideen, Ansprüche und Erfahrungen sind unter einen Hut zu bringen, Teilziele zu definieren, Partnerinnen und Partner zu akquirieren, Themen zu promoten. Die Herausforderungen von Netzwerkarbeit liegen sowohl im Interorganistorischen als auch in ihrer symptomatischen Unterfinanzierung. Zusätzlich werden Kompetenzen benötigt, die angemessen vergütet werden müssen, das ist in der Regel nicht möglich. Zudem müssen Ziele zumeist in einem dauerhaften Kommunikations- und Verständigungsprozess mit Berücksichtigung der wechselseitigen Erwartungen der beteiligten Akteurinnen und Akteure ausgehandelt werden. Dieser Prozess erfordert Kompetenz und Ausdauer. Zielfindungsprozesse können langwierig und konflikthaft verlaufen, wenn die Vorstellungen und Interessen sehr unterschiedlich sind und Konkurrenzen ins Spiel kommen. Dieser Druck verstärkt sich immens im Ehrenamt. Nicht zuletzt deshalb steht die Bundeskulturpolitik in der Handlungsnot, denn kulturpolitische Arbeit, die unsere Gesellschaft vielfältig und unsere Demokratie stabil hält, gibt es nicht ohne Personal, das bezahlt kompetent handelt. Wir brauchen dringend institutionelle Zuwendungen.
Andrea Rothaug ist Gründerin und Vorstandsmitglied der Music Women* Germany.
Dieser Text ist Teil des Dossiers „Frauen in Führung“. Die einzelnen Beiträge des Dossiers werden durch Illustrationen prägender Frauen aus der Vergangenheit bis in die Gegenwart begleitet.