Tagungsbericht Frauen in Führung
Vom 27. bis 28. Juni 2022 fand die Fachtagung Frauen in Führung statt. Der Deutsche Kulturrat lud dazu ein, Themen wie Hierarchiestrukturen, Mentoring, Netzwerke, Arbeitskräftepotenzial und die „Feminisierung“ bestimmter Berufsfelder mit Blick auf den Kultur- und Mediensektor zu debattieren. Die rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten im Rahmen von Dialogrunden, Inputs und Panels 25 Expertinnen und Vertretern aus verschiedenen Kultursparten sowie Politik und Wissenschaft zuhören und anschließend mit ihnen diskutieren.
Hier kann die Tagung in voller Länge nachgeschaut werden.
Fotos: Svea Pietschmann
Nach einführenden Worten des Präsidenten des Deutschen Kulturrates, Prof. Dr. Christian Höppner, der noch einmal die Genese des Themas Geschlechtergerechtigkeit beim Deutschen Kulturrat herausstellte, startete die Tagung mit drei kurzen Inputs: Die Volkswirtin Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok lieferte aktuelle Fakten und Zahlen zu Frauen in Führungspositionen in Unternehmen, die stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates Gabriele Schulz gab einen Überblick über Karrierechancen in Kultureinrichtungen und FUMA-Vorständin Fatima Çalışkan beleuchtete die Notwendigkeit von Intersektionalität in Führungsebenen.
Prof. Dr. Regula Rapp, Dr. Susanne Schüssler und Friederike Sittler diskutierten unter der Moderation von Shelly Kupferberg über ihre Erfahrungen auf dem Weg in ihre jeweiligen Führungspositionen in Institutionen, im Verlagswesen und Medienbereich. Schüssler beschrieb, dass ein großes Potenzial in vielfältig besetzten Gremien und deren Entscheidungen läge: „Paritätisch heißt für mich nicht nur Frauen und Männer. Das heißt auch unterschiedliche Ausbildungen, unterschiedliche Lebensalter.“
Neben den Erfahrungsberichten wurden auch Forderungen nach Umstrukturierung benannt, um beispielsweise die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie ein Arbeiten in flacheren Hierarchieeben zu ermöglichen. Hier schloss sich auch die junge Generation von Führungskräften an. Constanze Claus, Dr. Christina Ludwig und Antje Thoms – sie kamen aus den Bereichen Stiftung, Museum und Theater – bezogen sich vor allem auf das Thema Transparenz und die Um- und Neuverteilung von Machtpositionen in Kultureinrichtungen und -unternehmen. „Eine Frau zu sein, der man nicht im Weg stehen sollte, das sollte unser Ziel sein“, so Dr. Christina Ludwig.
Auch Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, betonte in seinem Resümee des ersten Tages, wie wichtig es ist, Seilschaften zu gründen, Kompetenzen zu bündeln und stellte in diesem Zuge das neu gegründete Netzwerk Women in Arts and Media e.V. (WAM) vor. Dieser Verein wurde von einer Gruppe ehemaliger Mentees des Mentoring-Programms des Deutschen Kulturrates gegründet. WAM will sich als interdisziplinäres Netzwerk für Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien einsetzen und damit die Nachhaltigkeit des Mentorings sicherstellen.
Im Rahmen der Tagung wurde auch die neue Webseite des Deutschen Kulturrates vorgestellt: Frauen-in-Kultur-und-Medien.de. Im Hinblick auf die dort zu findenden umfassenden Datenbanken zu Frauen-Netzwerken und Studien zur Geschlechtergerechtigkeit verdeutlichte Olaf Zimmermann, „dass es sich hier nicht mehr um vereinzelte Kämpferinnen und ein paar Kämpfer, sondern um eine große Bewegung“ handele.
Der Dienstag startete in parallelen Panels. Im Saal diskutierten die Kommunikationsexpertin Yvonne de Andrés, die Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie Simone Kauffeld und Andrea Rothaug, Geschäftsführerin von RockCity Hamburg, moderiert von Dr. Cornelie Kunkat über Frauennetzwerke. Dabei lag der Fokus auf der Wirksamkeit und den spezifischen Herausforderungen, mit denen diese sich konfrontiert sehen. Der Annahme von Professorin Kauffeld nach, haben „Frauen durchaus die größeren Netzwerke, sie haben zu einer größeren Anzahl an Personen Kontakt und pflegen oft auch intensivere Kontakte. Das ist eine unglaubliche Ressource, die sich eigentlich in der Zukunft auszahlen müsste.“
Mit Bezug auf die vom Deutschen Kulturrat herausgegebene Studie „Frauen in Kultur und Medien“ von 2016 bekräftigte Yvonne de Andrés die Notwendigkeit der Bestandsaufnahme, um Entwicklungen festzuhalten, wäre es wichtig, „ein Monitoring einzuführen, in dem festgehalten wird, wie Veränderungen stattfinden.“ Ein erster Monitoringbericht mit Blick auf die Einkommenssituation von Frauen in Kultur und Medien sowie den Gender Pay Gap erschien 2020 mit „Frauen und Männer im Kulturmarkt“. Für 2022 ist eine weitere Studie zu Frauen in Führung in Vorbereitung.
Nach einem kurzen Input von Dr. Sophie Drozdzewski nahmen sich im zweiten Teil Anne Sophie Beyrer und Madeline Ritter, moderiert von Susanne Stephani, dem Thema Mentoring an. Drozdzewski stellte Ergebnisse ihrer Mentoring-Forschung vor; so zum Beispiel, dass Mentoring die Sichtbarkeit von Frauen in Organisationen hebt: „Frauen können im Mentoring ihr eigenes Bild von dem, wie sie sich als Führungskraft sehen und wie sie Führung für sich gestalten wollen schärfen.“ Die ehemalige Mentee Anne Sophie Beyrer beschrieb Mentoring mit den Begriffen Transparenz und Augenhöhe.
Parallel zu diesen beiden Runden gab im Studio die Wirtschaftssoziologin Dr. Alexandra Scheele einen Input zum Arbeitskräftebedarf und -potenzial. Sie betonte die ausgeprägte Geschlechtersegregation auf horizontaler und vertikaler Ebene in Kulturberufen und forderte: „Um das Arbeitskräftepotenzial von Frauen in Kultur und Medien besser zu nutzen, bedarf es eines kulturellen Wandels in Kulturorganisationen.“ Im Anschluss diskutierte sie mit Prof. Dr. Oliver Scheytt, Geschäftsführer von Kulturexperten, der mit Praxisbeispielen auf erfolgreiche Entwicklungen hinwies und für eine Karriere in der Verwaltungsleitung warb, weil hier händeringend Personal gesucht werde.
Über die „Feminisierung“ des Arbeitsmarktes Kultur und Medien sprachen Dagmar Schmidt, Gabriele Schulz und Lucia Werder. Die Bibliothekarische Direktorin der Stadtbibliothek Bremen Werder stellte die Notwendigkeit heraus, verschiedene Perspektiven in die Berufsfelder der Bibliotheken hereinzubringen, „um am Ende ein gutes Abbild der Stadtgesellschaft zu ermöglichen.“ Dagmar Schmidt, Bildende Künstlerin, verwies auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ein Thema, das auch aus dem Publikum vielfach angesprochen wurde: „Ich finde es wichtig, dass beide Geschlechter gleichberechtigt sind, im wirklichen Sinne braucht es eine familienfreundliche Ausrichtung der Arbeitswelt,“ sagte Schmidt. Geschlechtergerechtigkeit heißt für Gabriele Schulz, „nicht nur, dass Frauen andere Berufe ergreifen oder sich mehr zutrauen, sondern Geschlechtergerechtigkeit heißt auch mehr Männer in frauendominierten Berufen.“
Im abschließenden Gespräch wurden die in den Panels und Vorträgen verhandelten Themen vor einem kultur- und arbeitsmarktpolitischen Horizont reflektiert. Es diskutierten Ulrike Bahr, MdB und Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages, Katrin Budde, MdB und Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages und Olaf Zimmermann, moderiert wiederum von Shelly Kupferberg. Gemeinsam unterstrichen sie, dass Honoraruntergrenzen und familienfreundliche Arbeitsbedingungen, etwa durch Möglichkeiten zur Kinderbetreuung, elementare Grundlagen für eine Veränderung in der Kultur bilden. Dabei sei es wegweisend, die Themen Kunst und Kultur „als Pflichtaufgabe in die Landesverfassungen aufzunehmen und im Grundgesetz zu stärken“, wie Budde betonte. Zudem bedürfe es „Vorgaben durch den Gesetzgeber“, so Zimmermann, „um klare Strukturen, Richtlinien, Quoten und familienfreundliche Arbeitsbedingungen einzuführen.“ In der Konsequenz müssten im Anschluss die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Mehr Frauen in Leitungsfunktionen zu bringen, ist auch die Zielsetzung des zweiten Führungspositionen-Gesetzes, das in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst greift. Frauen, die bereits solche Positionen bekleiden, so Bahr, seien ein Vorbild, „das Mut macht und weitere Frauen empowert, sich auch in anderen Ebenen und Berufen auf den Weg zu machen.“ Ferner kann die Anpassung von Förderkriterien in der Kulturförderung einen Beitrag zu einer verbesserten Systematik bilden, beschreibt Budde am Beispiel des Filmfördergesetzes, das das Thema Diversität als Förderkriterium einführt.
Schließlich komme der Vernetzung von Frauen eine entscheidende Bedeutung zu sowie der Organisation in Gewerkschaften und Parteien, um Veränderungen politisch anzuregen und durchzusetzen, so Zimmermann abschließend.
Liebe Gäste, wir bedanken uns ganz herzlich bei Ihnen und allen Panelistinnen für die spannenden Beiträge, Impulse, die Beteiligung an den Diskussionsrunden und die anregenden Gespräche in den Pausen. Schön, dass Sie dabei waren!
Anne Lisa Martin