Die amerikanische Kriegsreporterin Martha Gellhorn reiste u. a. 1961, 1963 und 1967 nach Israel. Das von Klaus Bittermann herausgegebene Buch „Die Araber von Palästina“ versammelt Reportagen von Gellhorn aus palästinensischen Flüchtlingslagern, dem Eichmann-Prozess in Jerusalem und vom Sechstagekrieg. Den größten Raum nehmen die Reportagen aus den Flüchtlingslagern ein. Gellhorn besuchte Lager im Libanon, in Syrien, im Westjordanland, seinerzeit zu Jordanien zählend, und dem Gaza-Streifen, der von 1948 bis 1967 unter ägyptischer Kontrolle war. Sie reiste mit Mitarbeitern der UNRWA in die Lager und interviewte Menschen, die dort lebten. Immer wieder wirft sie die Frage auf, warum die Menschen sich noch in Flüchtlingslagern befinden, warum sie nicht längst Teil der libanesischen, der syrischen, der ägyptischen oder der jordanischen Gesellschaft sind. Wird doch die gleiche Sprache gesprochen, wird doch zum gleichen Gott gebetet. Wiederholt fragt sie, warum die Zahl der Flüchtlinge wächst, obwohl niemand mehr flieht, sondern vielmehr der Flüchtlingsstatus vererbt wird. Die Rolle des UNRWA hinterfragt sie. Ganz besonders treibt sie die Frage um, welche Rolle das UNRWA spielt, damit der Flüchtlingsstatus der Palästinenser aufrechterhalten bleibt. Als Vergleich zieht Gellhorn die Millionen an Flüchtlingen in Europa heran, die sich Anfang der 1960er Jahre mehr oder weniger freiwillig mit dem Verlust ihrer Heimat abfinden mussten. Bitter konstatiert Gellhorn Mitte der 1980er Jahre, als sie ihre Aufzeichnungen von 1961 sichtet, dass es trotz massiver Hilfszahlungen aus den westlichen Ländern den Palästinensern schlechter geht als vor 20 Jahren und kein arabisches Land sie aufnehmen will. Der zweite Teil des Buches befasst sich mit dem Eichmann-Prozess in Jerusalem. Gellhorn wohnte dem Prozess über einen langen Zeitraum bei. Die Schilderungen der Shoah-Opfer, Gespräche, die sie mit ihnen führt, und vor allem das Verhalten und die Ausführungen von Adolf Eichmann schildert sie eindrücklich. Das Buch ist hochaktuell und sehr lesenswert.
Gabriele Schulz
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/24.