Sarah Wedl-Wilson und Katharina Schrade im Gespräch mit Cornelie Kunkat
Sarah Wedl-Wilson, Rektorin der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin, und Katharina Schrade, Referentin des Intendanten der Deutschen Oper Berlin, wurden im Rahmen des Mentoring-Programms des Deutschen Kulturrates als Tandem gematcht. Im Gespräch mit Cornelie Kunkat berichten sie von ihren gemeinsamen Erfahrungen, bewältigten Herausforderungen und neuen Perspektiven.
Frau Wedl-Wilson, Frau Schrade, Sie haben sich vor mittlerweile fast zwei Jahren als Tandem gefunden. Was hat Sie, Frau Wedl-Wilson, dazu bewogen, sich für das Programm des Deutschen Kulturrates als Mentorin zur Verfügung zu stellen?
Wedl-Wilson: Als Sie mich, Frau Kunkat, am Ende eines Interviews zu meinem Einstieg als Rektorin an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin gefragt haben, habe ich spontan zugesagt: Im Vordergrund stand Ihre Einladung, Erfahrung und Wissen mit der nachkommenden Generation an Kulturmanagerinnen zu teilen und ausgewählte Personen ein Stück des Weges zu begleiten – aber im Hintergrund reizte mich ebenso die persönliche Bereicherung im Austausch mit den jüngeren Frauen, ihre Frische und ihren anderen Blickwinkel zu erleben und somit meinen eigenen Standpunkt flexibler zu gestalten.
War dies Ihre erste Funktion als Mentorin? Oder haben Sie eine jüngere Kollegin schon einmal informell intensiver beraten?
Wedl-Wilson: Da ich immer wieder als Headhunter arbeite, befinde ich mich öfter in der Situation, mit Kolleginnen und Kollegen über ihren Werdegang zu reflektieren und strategische Schritte für die Zukunft zu entwickeln. Dies sind nicht zwingend jüngere, und auch nicht zwingend Frauen. Denn wir brauchen alle zu bestimmten Zeiten ein wohlwollendes Ohr für eigene Überlegungen oder eine Unterstützung bei der Weiterentwicklung von neu geschmiedeten Plänen. Wir Kulturmanager sind generell eng miteinander verbunden. Es ist eine kleine Branche, überschaubar und in der Regel sehr kollegial. Dies war für mich jedoch das erste Mal, innerhalb eines quasi institutionalisierten Programms zu arbeiten.
Mit welchen Erwartungen haben Sie sich, Frau Schrade, als Mentee beworben?
Schrade: Zunächst fand ich es sehr spannend, dass es ein solches Mentoring-Programm mit dem Fokus auf Frauen im Kulturbereich – und hier ganz speziell den administrativen, nicht den künstlerischen Bereich – überhaupt gibt, und wollte einfach unbedingt die Chance nutzen, daran teilzunehmen. Ich selbst hatte noch nicht allzu lange im Kulturmanagement gearbeitet, als ich mich für das Mentoring-Programm beworben habe. So hoffte ich vor allem, Einblicke in die „ungeschriebenen Gesetze“, die ja jeder Arbeitsbereich hat, zu gewinnen und herauszufinden, was es bedarf, um sich darin beruflich weiterzuentwickeln.
Über welche Themen haben Sie sich dann insbesondere ausgetauscht? Und kamen im Verlauf des halben Jahres noch ganz neue Herausforderungen zutage?
Schrade: Zunächst haben wir einen Blick auf meinen Status quo geworfen und mögliche Ziele und Wege besprochen – natürlich immer in Bezug auf meinen bisherigen Werdegang. Sarah hat mir in der Coronazeit aber auch direkt in ganz konkreten Situationen geholfen und Ratschläge gegeben. Irgendwann wurde der Austausch dann breiter gefächert, wir haben über Inszenierungen gesprochen, uns über Konzerte und Künstler ausgetauscht, gemeinsam Vorstellungen besucht usw.
Wedl-Wilson: Wir haben den Anfang gemacht mit einem Neuanstrich von Katharinas Lebenslauf. Das gab uns die Gelegenheit, gemeinsam über ihren Werdegang direkt zu ihren Unique Selling Point, ihrem Alleinstellungsmerkmal, zu gehen und ihre Persönlichkeit in Papierform lebendig zu machen. Ausgehend von ihren beruflichen Stationen konnte ich mir ein profundes Bild von ihren Stärken machen, die in der weiteren Folge im Coaching gefördert werden sollten. Nach ein paar Sessions hatte sie ihren Lebenslauf auf Hochglanz poliert und somit gingen wir weiter zu Führungsthemen sowie ausgewählten Case Studies.
Sie gehören zu den Tandems, die auch nach Ablauf des Programms noch in Kontakt stehen, das ist schön. Wie hat sich das ergeben?
Wedl-Wilson: Tatsächlich ist eine gegenseitige Sympathie unter Kolleginnen entstanden, sodass jede für sich den Austausch als wertvoll empfunden und weiterhin gesucht hat. Zudem trifft man sich in Berlin bei den kulturellen Ereignissen der Stadt. Durch meine Arbeit im Stiftungsrat der Opernstiftung in Berlin bin ich mit Katharinas Arbeit beruflich verbunden und somit kreuzten sich bei den Produktionen in der Deutschen Oper öfter unsere Wege.
Schrade: Das hat sich tatsächlich ganz organisch über unsere Tätigkeiten und Interessengebiete, die ja sehr dicht beieinander liegen, ergeben, sodass wir uns eben immer wieder auch unabhängig vom Programm in Berlin begegnet sind.
Könnten Sie Faktoren nennen, die solch eine Langfristigkeit begünstigen?
Schrade: Definitiv stellt der Faktor, dass wir beide in Berlin wohnen und in der Musik tätig sind, einen ganz entscheidenden Faktor dar. Beruflich und privat haben wir ähnliche Interessen und daher ist der Austausch für beide Seiten interessant und gewinnbringend. Und gleichzeitig hat jede von uns einen anderen Blickwinkel oder Zugriff auf die Dinge – das ist teilweise sehr hilfreich und eröffnet neue Perspektiven.
Wedl-Wilson: Neugierde steht an erster Stelle! Und durch gemeinsame Erlebnisse entsteht eine Basis für menschlichen Austausch, die mir persönlich immer wichtiger wurde.
Was empfehlen Sie, Frau Wedl-Wilson, anderen Mentorinnen und auch mir als Koordinatorin – worauf sollte beim Matchingprozess besonders geachtet werden? Fänden Sie es ebenso spannend, eine Mentee beispielsweise aus dem Verlagswesen oder Tanzbereich zu beraten? Oder ist dieselbe Kultursparte ein entscheidender Faktor?
Wedl-Wilson: Letztendlich ist die Auswahl für mich eine Bauchentscheidung: Ich lasse mich von einem Lebenslauf und der Persönlichkeit, die ich dahinter vermute, begeistern. Regionale Nähe ist hilfreich, wiewohl Katharina und ich uns während der Pandemie sehr oft über Zoom getroffen haben. Demnach könnte man sich problemlos über ganz Deutschland vernetzen. Allerdings möchte ich mich im Kulturmentoring nur innerhalb meines Fachbereichs Musik bewegen, die Gesetze und Gepflogenheiten sind mir hier vertraut. Anders wäre dies, wenn das Mentoring um die Themen Führung in Personal und Finanzen kreisen sollte.
Wie ist Ihr Blick auf die Nähe im Berufsfeld zwischen Mentorin und Mentee? Wovon konnten Sie bei Sarah Wedl-Wilson am meisten profitieren?
Schrade: Ja, diese Nähe im Berufsfeld spielt meiner Meinung nach gerade für das Kulturmanagement in der klassischen Musik eine entscheidende Rolle. Dieser Bereich ist so speziell, oftmals kann man die Schwierigkeiten, die mit unserer Arbeit verbunden sind, Außenstehenden nur schwer begreiflich machen. Es vereinfacht einfach den Austausch extrem, wenn man bestimmte Problematiken oder Verhaltensmuster nicht erklären muss, sondern mit einem Wort klar ist, worum es gerade geht. Das heißt nicht, dass eine gelungene Mentee-Mentorin-Beziehung nicht auch entstehen kann, wenn beide aus unterschiedlichen Bereichen kommen. Aber wenn ich für mich spreche, dann war das für mich ein ausschlaggebender Faktor dafür, dass unser Tandem so gut funktioniert. Sarah ist einfach nicht nur beruflich eine vielseitig erfahrene und erfolgreiche Frau, sondern in Gänze eine tolle Persönlichkeit, ein echtes Role Model! Ich bin sehr froh, dass ich ihr durch das Programm begegnet bin und wir uns immer noch in einem regelmäßigen Austausch befinden, weil ich auf ganz vielen Ebenen von ihr lernen kann.
Und was sind rückblickend Ihre wichtigsten Erlebnisse oder Erkenntnisse als Tandem?
Schrade: Schon während des ersten Treffens fand ich toll, wie Sarah meine Bedürfnisse erkannt und mich in meinen Anliegen unterstützt hat. Und dann gab es während der Coronazeit unsere Zoom-Meetings – eines insbesondere, das mir in einer schwierigen Situation sehr weitergeholfen und gezeigt hat, dass ich Sarah gegenüber keine Fassade aufrechterhalten muss. Dieses Gespräch war eine Art Schlüsselerlebnis für mich und hat die Entwicklung unserer Tandem-Beziehung stark geprägt.
Wedl-Wilson: Der Weg ist das Ziel. Das sehe ich als eines der wesentlichen Merkmale des Programms. Wir hatten, wie von Katharina beschrieben, wichtige Meilensteine in der Zusammenarbeit. Exponierte Führungspersönlichkeiten können Führungsstil, Konfliktmanagement oder Strategie mit einem privaten Coach erarbeiten, aber für die jungen Managerinnen und Manager auf dem Weg nach oben ist dies meist finanziell nicht drin. Umso wichtiger ist es, unsere künftigen Führungskräfte zu begleiten und sie in ihrer Entwicklung zu stärken, Problemfelder aufzuzeigen, Situationen zu analysieren und Vorgehensweisen zu erproben. Das wichtigste Erlebnis für mich war dann Richtung Schluss des Programms: Irgendwann kamen wir zu einer Art Parität, zu einem gegenseitigen Geben und Nehmen, indem man als Mentorin wie im Spiegel das eigene Tun reflektieren und auch mal das Mentee um eine Einschätzung fragen darf. Sozusagen: The tables were turned!
Sarah Wedl-Wilson ist Rektorin der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Katharina Schrade ist Referentin des Intendanten der Deutschen Oper Berlin. Cornelie Kunkat ist Referentin für Frauen in Kultur und Medien beim Deutschen Kulturrat.
Dieser Text ist Teil des Dossiers „Frauen in Führung“.