Other Writers Need to Concentrate – Netzwerk Schreiben & Care
Gründungsjahr: 2020
Gründungsimpuls: die Erkenntnis, dass mit Kindern eine der wichtigsten Einkommensquellen von Autor*innen, nämlich Aufenthaltsstipendien, wegfällt, weil diese Stipendien normalerweise nur die Anreise von Einzelpersonen zulassen
Ziele des Netzwerks: familienfreundliche Förderstrukturen; Aufwertung von literarischen Themen wie Elternschaft, Familienleben, Care allgemein; Vernetzung und Austausch; ein realistisches Bild des Autors/der Autorin, nicht als solipsistisches Genie, sondern als soziales Wesen, das in Strukturen eingebunden ist.
Finanzierung: ehrenamtliche Arbeit, Förderanträge, Spenden
Was ist erforderlich, um Geschlechtergerechtigkeit in Ihrem Wirkungsfeld zu fördern?
Traditionelle Vorstellungen von Autor*innenschaft und von Elternschaft müssen überwunden und die Strukturen des Literaturbetriebs an moderne Familienkonzepte angepasst werden. Autor*innen sind keine solipsistischen Genies, deren Werke in Einsamkeit und Abgeschiedenheit entstehen. Ganz im Gegenteil: Das Eingebundensein in verbindliche Strukturen und die Verantwortung für andere Menschen kann sogar sehr befruchtend für die Textarbeit sein! Und da sich das im Alltag natürlich nicht immer so anfühlt, ist die dezidierte Förderung von sorgetragenden Menschen – was laut Statistik ja meistens eher die Mütter sind – umso wichtiger.
Welche Impulse nehmen Sie in Ihrem Netzwerk wahr? Können Sie Themenschwerpunkte identifizieren, die aktuell an Bedeutung gewinnen?
Die Frage der familienfreundlichen Gestaltung von Aufenthaltsstipendien ist nach wie vor eine wichtige. Auch Fragen nach der Betreuung der Kinder, wenn man selbst auf Lesereise ist, werden in unserem Netzwerk immer wieder thematisiert. Vor allem alleinerziehende Autor*innen und Autor*innen im Wechselmodell stellen diese beiden Themen vor große organisatorische Herausforderungen. An Bedeutung gewinnt auch die Frage nach Care allgemein. Wir sind unter der Überschrift „Über Autor*innenschaft und Elternschaft“ gestartet, inzwischen haben wir uns in „Netzwerk Schreiben & Care“ umbenannt. Die Mitglieder unseres Netzwerks werden älter, bei manchen steht inzwischen nicht mehr die Sorge für die Kinder im Mittelpunkt, sondern die Sorge für die eigenen Eltern oder andere pflegebedürftige Angehörige. Es ist uns wichtig, die verschiedenen Formen der Fürsorge gleichberechtigt zu betrachten und nicht gegeneinander auszuspielen. Wir versuchen uns in einer großen Offenheit.
Wie hat sich Ihre Arbeit im Laufe der Jahre verändert?
Other Writers Need to Concentrate ist im Februar 2020 als Weblog mit rund zwanzig Autor*innen gestartet, die ungefähr einmal monatlich einen Text über aktuelle Schreibsituationen oder Branchenthemen an eine Redaktion aus drei Personen geschickt haben. Wir haben diese Texte dann redigiert und publiziert. Nach vier Jahren aktivistischer Arbeit hat sich diese Struktur komplett verändert: Unser Netzwerk besteht inzwischen aus rund 60 Autor*innen – manche davon aktiv, manche passiv –, die anfallende Arbeit wird nicht mehr von einer Redaktion erledigt, sondern von verschiedenen AGs. Der Weblog ist viel stiller geworden, nachdem eine Auswahl der Beiträge in einem Buch (Katharina Bendixen, David Blum, Barbara Peveling, Sibylla Vričic Hausmann (Hg.): other writers need to concentrate. Berlin: Sukultur 2023) publiziert werden konnte, mit dem wir gerade durch Literaturhäuser und Bibliotheken reisen. Die Produktion von literarischen Texten, die die familienfeindlichen Strukturen thematisieren, ist also etwas zurückgetreten zugunsten von mehr Vernetzung innerhalb der Branche und mehr Austausch untereinander. Zwei Lektoratsgruppen treffen sich einmal monatlich und besprechen ihre Texte. Bei den öffentlichen digitalen Maternal Nights vertiefen wir das Gespräch über bestimmte Themen, etwa „Kunstschaffen mit älteren Kindern“ oder „Bravsein“. Wir stehen im Austausch mit weiteren Akteur*innen der Branche und in anderen Disziplinen.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse in Ihrer bisherigen Netzwerkarbeit?
Wie gut wir mit unseren Kindern und unseren Texten leben, hängt von sehr vielen Faktoren ab, von Familienstrukturen, Herkunft, Schreibweise, Persönlichkeit – wir sind immer auf der Suche nach den verbindenden Elementen und den Punkten, an denen wir uns gegenseitig stützen können. Und die gemeinsame Arbeit zahlt sich aus: Immer mehr Künstlerhäuser schaffen familienfreundliche Aufenthaltsmöglichkeiten und bitten uns darum, auf unserer Website nicht mehr in der Liste der familienfeindlichen Stipendien aufgeführt zu werden. Inzwischen gibt es sogar zwei Stipendien nur für kunstschaffende Eltern, und zwar im Künstlerhaus Lauenburg und in der Stadt Hamburg. Und: Es gibt sehr viele tolle, hochliterarische Texte über die Mühen und die Freuden der Elternschaft.
Weitere Informationen zu Other Writers Need to Concentrate finden Sie hier.
Vier Fragen an… bietet Netzwerken aus der Kultur- und Medienbranche regelmäßig die Gelegenheit sich vorzustellen. In unserer Datenbank finden sich mittlerweile 60 Netzwerke mit unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten und Ausrichtungen. Sie alle verbindet das Engagement, die Rahmenbedingungen für Frauen in der Branche zu verbessern.