Der Verein ProQuote Medien untersucht in regelmäßigen Abständen den Anteil von Frauen an der publizistischen Macht. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass nur wenn journalistische Führungspositionen paritätisch besetzt werden, die Themen der Gesellschaft in ihrer Vielschichtigkeit abgebildet werden können. Die aktuelle Studie von 2022 zeigt, dass vor allem die Chefredaktionen von Onlinemedien und Regionalzeitungen von einem Frauenanteil von 50 Prozent noch weit entfernt sind.
Unter dem Titel „Noch lange nicht gleichberechtigt – Der mühsame Aufstieg von Frauen in Print- und Onlinemedien“ fand am Montag, den 16. Januar, die Präsentation der Studienergebnisse im Rahmen einer Pressekonferenz statt. Es diskutierten Ekin Deligöz, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Farauen und Jugend, Julia Mateus, Chefredakteurin Titanic, Monika Pilath, Mitglied der Chefredaktion von Zeit Online, Sabine Schicketanz, Chefredakteurin Potsdamer Neueste Nachrichten, Eva Quadbeck, Chefredakteurin RND (Redaktionsnetzwerk Deutschland) sowie Edith Heitkämper, Vorsitzende von ProQuote Medien. Gemeinsam wurden Faktoren, die zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen, herausgearbeitet. So beispielsweise die Beobachtung, dass wenn 30 Prozent Frauen in verantwortlicher Position präsent sind, die Tendenz zu Parität schneller wächst. Aber auch, dass nicht die Kompetenzen der Frauen fehlten, sondern das Zutrauen der Führungsspitze. So sei eine ideale Mischung: „Druck von unten und Zug von oben.
„Die wichtigsten Fakten aus der Studie:
- Noch immer dominieren Männer die Chefetagen bei Regionalzeitungen in krassem Ausmaß: Der Frauenmachtanteil ist zwar von 9,5 Prozent im Jahr 2016 auf 18,2 Prozent in 2022 angestiegen. Dennoch bleiben Frauen deutlich in der Unterzahl; nur neun der 97 ausgewerteten Regionalzeitungen leiten heute ausschließlich Chefredakteurinnen. Zum Vergleich die Zahl der männlichen Chefredakteure, sie alleine führen: 77.
- Die weiblichen Machtanteile in den Leitmedien sind in den vergangenen zehn Jahren deutlich angestiegen. Der Durchschnittswert der gewichteten Frauenführungsanteile hat sich von 13,7 Prozent bei der ersten Zählung im Jahr 2012 auf aktuell 38,9 Prozent gesteigert. Den ersten Platz belegt dieses Mal die taz mit 64,2 Prozent, den letzten die FAZ mit 23,9 Prozent.
- Wie schon 2019 sind Führungsfrauen bei Publikumszeitschriften vor allem bei weiblich assoziierten Themen wie Unterhaltung, Frauenzeitschriften sowie Haus und Garten dominant. Chefredaktionen in Sachen Wissen und Technik, Motorpresse und Politik sowie Gesellschaft bleiben Männerdomänen.
- Der Frauenmachtanteil in deutschen Agenturen und Zentralredaktionen liegt 2022 bei 38,2 Prozent. 2019 waren es noch 28,4. Bei Thomson Reuters ist der Anteil sogar auf 60 Prozent gestiegen. Schlusslicht ist die Katholische Nachrichtenagentur KNA: Hier arbeitet keine einzige Frau in redaktioneller Verantwortung.
- Bei den 100 reichweitenstärksten deutschen Onlinemedien sind 35 von 121 Führungspositionen weiblich besetzt. Das entspricht 28,9 Prozent. Frauen bleiben somit auch drei Jahre nach der ersten ProQuote-Erhebung bei Online-Medien deutlich in der Unterzahl.“
Im vergangenen Jahr haben Vertreterinnen von ProQuote Medien die Chefredaktionen deutscher Leitmedien befragt, inwiefern diese sich für eine paritätische und diversere Besetzung von Führungspositionen einsetzen und wie die Perspektiven auf eine Verbesserung dieser Strukturen sind. Um Verbindlichkeiten herzustellen, hat ProQuote einen Vertrag aufgesetzt, mit dem sich die Chefredaktionen zur Förderung von Frauen und Diversität verpflichten.
„Hier eine Kurzfassung der Forderungen aus dem ProQuote-Vertrag […]:
- 50 Prozent Frauen mit diversen Hintergründen in allen Führungsebenen.
- 50 Prozent Kolumnistinnen, Leitartiklerinnen und Kommentatorinnen in den meinungsbildenden journalistischen Formaten.
- Diversität bei der Auswahl der Protagonist*innen und Expert*innen.
- Bei gleicher Qualifikation: Bevorzugung der Kandidatin. Außerdem gezielte Nachwuchsförderung, die auf Vielfalt wert legt.
- Führung in Teilzeit ermöglichen.
- Gleiches Geld für gleiche Arbeit.“
Unterschrieben wurde diese Verpflichtungserklärung nur von einer Vertreterin eines Mediums: der stellvertretenden Chefredakteurin der taz Katrin Gottschalk. Bereits seit 1980 hat die taz eine Quoten-Tradition, auch Frauen sind hier seit den 1990er Jahren in Führungspositionen vertreten. Ein Fördersystem unterstützt Frauen, beispielsweise durch Coaching, dabei in Führung zu kommen.
Die übrigen acht Leitmedien lehnten eine Unterzeichnung der Verpflichtungserklärung mit unterschiedlichen Begründungen ab. Nach ProQuote Medien Vorstandschefin Edith Heitkämper habe sich zwar in den letzten 10 Jahren, seit der Gründung von ProQuote, viel verändert, sodass vermehrt Frauen in Führungspositionen anzutreffen sind, dennoch wurde insgesamt weder Parität hergestellt noch in ausreichender Weise für eine diversere Besetzung gesorgt.
Anne Lisa Martin