Die Medienkünstlerin und Kunstprofessorin Ulrike Rosenbach wird 80
Sie eine Pionierin der Medienkunst zu nennen ist keine Übertreibung: Ulrike Rosenbach ist Künstlerin, Kunstprofessorin und eine engagierte Verfechterin des Feminismus. 1943 nahe Hildesheim geboren, feiert sie dieses Jahr ihren 80. Geburtstag. Aus diesem Anlass widmet ihr das Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe (ZKM) eine Retrospektive. Die Ausstellung ist noch bis 7. Januar 2024 begehbar. Sie findet im Rahmen von „Female Perspectives“ statt und ist Teil einer Reihe von Ausstellungen, mit denen das ZKM das bedeutende Werk einer Pioniergeneration von Medienkünstlerinnen würdigt.
Das Kriegskind Ulrike Rosenbach wuchs relativ behütet bei den Großeltern auf. Im Alter von fünf Jahren – wieder mit den Eltern vereint – begann Ulrike Rosenbachs Schullaufbahn in Goslar. Weitere Stationen waren Hannover und Wuppertal, wohin es den Vater, einen Piloten, beruflich trieb. Ihr künstlerisches Talent wurde bald an ihrer experimentellen Schule erkannt, und ihre Lehrerinnen und Lehrer ermutigten sie, sich an der Kunstakademie in Düsseldorf zu bewerben.
Warum Bildhauerei und beispielsweise nicht Malerei? Ulrike Rosenbach dazu: „Ich habe immer am liebsten gebastelt oder gewerkelt – mit irgendwelchen Dingen. Und mein Professor hat das sofort erkannt und mich für Bildhauerei empfohlen.“ Norbert Kricke und Joseph Beuys waren ihre Lehrer an der Akademie, an Beuys erinnert sie sich kurz und knapp: „Sehr verbindlich, sehr freundlich“ sei er gewesen.
Freischaffende Künstlerin
Während ihres Studiums machte sie Bekanntschaft mit neuen Kunstformen wie Pop-Art, Fluxus und Performances. Die alleinerziehende Mutter experimentierte mit Objekten an und für ihren Körper und wollte diese aufnehmen, so entdeckte sie das Medium Video. Sie wollte sich nicht klassisch filmen oder fotografieren lassen, sondern kaufte sich in einem Versandhaus für 99 Mark ihre erste Ausrüstung.
Teilweise befestigte sie die Kameras auch an ihrem Körper und erhielt für diese neue Art der Kunst international große Anerkennung – auch durch ihre Teilnahme 1977 an der documenta 6 und 1987 an der documenta 8. Zwischen 1973 und 1976 hielt sich Rosenbach mehrfach in den USA auf, wo experimentelle Kunstformen schon weiter verbreitet waren als in Deutschland: „New York war der Dreh- und Angelpunkt für moderne Kunst.“
Ulrike Rosenbach kam auch in Los Angeles in Kontakt mit der künstlerischen Avantgarde und unterrichtete 1975 und 1976 auf Vermittlung von John Baldessari Feministische Kunst, Performance und Video am California Institute of the Arts (CalArts), einer der bedeutendsten Kunsthochschulen dieser Zeit.
1976 gründete sie die „Schule für kreativen Feminismus“ in Köln, die bis 1982 bestand: „Das war einfach eine Gruppe von Interessierten – Künstlerinnen, Kunststudentinnen, aber auch Frauen, die überhaupt nichts mit Kunst zu tun hatten. Die kamen einmal die Woche in mein Studio, und wir haben zusammen Kunst und weibliche Kunstgeschichte studiert oder über Kunst gesprochen und auch natürlich selbst Kunst produziert.“
Feministische Kunst
Das Engagement für den Feminismus begleitete sie wie die Video- und Medienkunst ihr ganzes Leben: „Ich war immer politisch interessiert, war Vorstandsmitglied des AStA in der Düsseldorfer Kunstakademie. Deswegen habe ich auch darauf geachtet, wie Frauen innerhalb der aufkommenden Studentenbewegung behandelt wurden. So wurde diskutiert, dass das eigentlich an den Frauen vorbeiging und sie doch nicht so integriert wurden, wie sie sich das wünschten. Sie gründeten dann ihre eigene Bewegung, und das fand ich sehr spannend, weil ich ja diese Kontroverse auch gut genug aus der Kunstszene kannte. Deshalb beschloss ich, meine Kunst feministische Kunst zu nennen und diese Gruppe zu gründen.“
Das MeToo-Thema war natürlich auch schon in ihren jungen Jahren präsent – sowohl in der Kunst- als auch in der Musikszene: „Wenn ich mit jungen Frauen spreche, dann sagen die, es hat sich nicht so viel geändert. Aber vielleicht ist die jüngere Generation von Männern nicht mehr so stark betroffen. Das ist ja auch in verschiedenen Kulturen völlig unterschiedlich. Es gab in den 1970er Jahren in Deutschland so gut wie keine weiblichen Professoren oder gar Rektorinnen von Hochschulen. Mit der Zeit hatten verschiedene Initiatoren der internationalen Frauenszene den Mut, dagegen anzugehen, wie Frauen behandelt wurden, z. B. eine Alice Schwarzer in Deutschland.“
Hochschulprofessorin und GEDOK
An der neu gegründeten Akademie der Bildenden Künste bzw. Hochschule für Bildende Kunst in Saarbrücken arbeitete Ulrike Rosenbach von 1989 bis 2007 als Professorin für Neue künstlerische Medien und war von 1991 bis 1993 auch deren Rektorin: „In Saarbrücken gab es eine Vergangenheit, auch in der Technik, das war vorher eine Fachhochschule. Und man hatte die analoge Videotechnik. Diese konnte ich in mein Technikstudio an der HBK Saar integrieren, eine spannende Zeit.“
Nach der Emeritierung wurde sie angefragt, Präsidentin der GEDOK zu werden, erinnert sich Ulrike Rosenbach. Sie engagierte sich jahrelang in der 1926 in Hamburg gegründeten „Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen“, die sich für die Rechte und Gleichbehandlung von Frauen in der Kunstszene einsetzt.
Wie empfindet sie die enormen technischen Veränderungen, die auch die Medienkunst in hohem Maß betreffen? „Sagen wir mal, es ist eine völlig andere Kunst entstanden. Computer haben natürlich ausgeweitete Programme, die im Vergleich zu Videoverfahren ganz andere Möglichkeiten bieten. Deswegen sagt man auch heute Medienkunst und nicht mehr Videokunst. Im Großen und Ganzen ist der Unterschied zwischen analoger und digitaler Kunst relevant: Der wichtigste Unterschied ist, dass junge Leute heute durch die Vielfalt der Programme aus sehr, sehr vielen Möglichkeiten auswählen können. Wir hatten früher genau das Gegenteil. Wir mussten Dinge, Techniken oder die Art und Weise, wie wir mit Video Kunst produzieren wollten, erfinden, um überhaupt etwas machen zu können, was unseren Vorstellungen entsprach.“
Auch mit dem Thema Künstliche Intelligenz (KI) setzt sich Ulrike Rosenbach auseinander: „Also, KI gibt’s ja schon etwas länger. Wir wussten in Saarbrücken schon seit den 1980er Jahren davon. Die Universität in Saarbrücken war darauf spezialisiert, Künstliche Intelligenz zu fördern und zu diskutieren. KI oder Roboter werden ja etwa in der Autoindustrie längst benutzt. Aber wie sich das Ausweiten wird, das wird die Zukunft zeigen.“
Was erwartet die Besucherinnen und Besucher nun in der retrospektiven Ausstellung im ZKM in Karlsruhe? „Das ZKM ist ein Museum für neue Technologien, in dem man viel erleben und sehen kann, mit digitalen Bildern, Filmen und so weiter. Es finden ständig Ausstellungen statt, Unmengen von Workshops und Präsentationen – auch für elektronische Musik. Meine Ausstellung ist eine Art Anti-Ausstellung, würde ich sagen. Es werden über 100 meiner installativen Werke gezeigt, die zum größten Teil analog hergestellt wurden. Das macht das Ganze natürlich schon interessant.“
Ein Wunsch für die Zukunft ist für Ulrike Rosenbach, dass es den Begriff „feministische Kunst“ überhaupt nicht mehr braucht. Dass es „selbstverständlich ist, dass Frauen und Männer gleich behandelt werden, die Tendenz gibt es ja bereits. Die Medienkunst wird sich sicher weiter und immer wieder völlig neu entwickeln. Also alles wird anders, und gestern ist heute und heute ist morgen. Das ist einfach der Gang der Welt.“
Ursula Gaisa ist Redakteurin der neuen musikzeitung
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 9|23.