Im Ausklang der 1848er Revolution gab Louise Otto 1849 eine erste politische Zeitschrift, die „Frauen-Zeitung“ heraus mit dem emphatischen Untertitel „Dem Reich’ der Freiheit werb’ ich Bürgerinnen“. Doch schon nach knapp zwei Jahrgängen wurde das zweimal monatlich erscheinende Journal durch ein Sächsisches Pressegesetz verboten, das ausdrücklich Frauen die Herausgabe und verantwortliche Redaktion einer politischen Zeitschrift untersagte. Im Zuge der politischen Reaktion sollten im gleichen Jahr auch in den anderen Staaten des Deutschen Bundes ähnliche Repressionen folgen, insbesondere auch der Erlass von Vereinsgesetzen, die Frauen von jeglicher Teilnahme in politischen Vereinen oder Versammlungen ausschlossen. Diese waren bis 1908 in Kraft. Was war passiert, sollten sich die Regierungen der Restauration tatsächlich „vor den Frauen fürchten“, wie die Autorinnen der Zeitschrift zunächst lästerten?
In ihrem „Abschiedswort“ der vorläufig letzten Nummer vom Dezember 1850 bedankt sich die Herausgeberin bei ihren Leserinnen und Unterstützern, bei Korrespondentinnen, bekannten Autoren, aber auch den anonymen, nur mit ihren Vornamen gekennzeichneten Schreiberinnen für ihre Mitwirkung. Sie zählt dabei, wehmütig und stolz zugleich, die Orte auf, aus denen die Zeitschrift Zuschriften und Zustimmung erhielt. In der langen Reihe größerer und kleiner Städte werden unter anderem genannt: Altenburg in Sachsen, Breslau, Dresden und Berlin, Hamburg, Königsberg und Leipzig, ja, sogar New York sowie Straßburg, Wien und Zürich. Die Aufzählung zeigt, die Frauen-Zeitung hatte im Aufbruch zu einer demokratischen und sozialen Reform über die deutschen Grenzen hinaus eine Plattform für die Anliegen und die Rechte von Frauen geboten und ein Netzwerk von Interessentinnen und Aktivistinnen geschaffen. Gleichzeitig wird in Berichten der Zeitung belegt, dass in vielen Orten der deutschen Kleinstaaterei Frauenvereine entstanden waren, die sich den Zielen der demokratischen Opposition anschlossen und für Freiheit, nationale Einigung und die in der Paulskirche verhandelten Grundrechte eintraten. Einige nannten sich „demokratische Frauenvereine“, andere verbargen ihre Parteinahme als Unterstützung der in der Revolution verhafteten oder verfolgten Freiheitskämpfer und ihrer Familien, wieder andere betonten als Frauenbildungsvereine die Notwendigkeit ökonomischer Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Schließlich war der Aufruf „Assoziation für alle, auch für die Arbeiterinnen“ das Losungswort, das Louise Otto und viele Initiativen des Vormärz beflügelt hatte.

Louise Otto gilt seither als Begründerin der ersten deutschen Frauenbewegung, doch zu dieser Bewegung bedurfte es nicht nur einer Einzelnen. Vielmehr hatte sich um ihre Initiative ein Beziehungsnetz von Personen und Vereinen gebildet, die an der revolutionären Bewegung des Vormärz teilhatten und dabei die Unrechtserfahrungen und bürgerlichen Rechte derjenigen zur Sprache brachten, die bisher im politischen Raum nicht vertreten waren. Dazu gehörten 1848 neben den Arbeitern eben auch die Frauen, denn das bürgerlich liberale Versprechen der „Freiheit für alle“ war weder im Hinblick auf die Klassenfrage noch auf das Geschlechterverhältnis eingelöst. Es gelang also, neben vielfältigen weiteren Veröffentlichungen in Deutschland zum ersten Mal, die politische Aufmerksamkeit auf die Rechtlosigkeit und soziale Ungleichheit von Frauen, insbesondere auf ihre Entmündigung in der Ehe zu lenken und ihre Ansprüche auf Mitwirkung und politische Teilhabe öffentlich zu machen.
Auch wenn diese soziale Bewegung sogleich wieder mundtot gemacht und ihre Schriften und Versammlungen verboten wurden, hat sie mit ihrem ersten gemeinsamen Aufbegehren und ihren Forderungen nach Gleichberechtigung der Frauen doch Geschichte gemacht. Denn das Netzwerk zwischen den Engagierten blieb. Einige nahmen später die Verbindungen wieder auf, z. B. mit der Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF) 1865 durch Louise Otto und Auguste Schmidt. Dabei wurden die persönlichen Verbindungen der Achtundvierzigerinnen strategisch bewusst zu einem Netzwerk von Zweigvereinen ausgebaut, indem die jährlichen „Frauentage“ jeweils an einem anderen Ort durch frühere Gefährtinnen ausgerichtet wurden. Auch die Erkenntnis, dass die Arbeiterinnen sich selbst neben den Arbeitern organisieren müssen, hat Wurzeln in den persönlichen Beziehungen seit der 1848er Revolution. Clara Eißner, spätere Clara Zetkin war Schülerin im Lehrerinnenseminar von Auguste Schmidt und oft bei den Vorsitzenden des ADF zu Tee- und Diskussionsrunden eingeladen worden.
Die Bedeutung von Netzwerken für die Entstehung und den Erfolg sozialer Bewegungen ist erst in der neueren soziologischen Bewegungsforschung herausgearbeitet worden. Sie dient zur Kennzeichnung ihrer besonderen Struktur, aber auch der Untersuchung ihres inneren Funktionierens. Denn im Gegensatz zu staatlich anerkannten Organisationen, Parteien und Institutionen bleiben soziale Bewegungen typischerweise veränderlich und fließend, drängen auf die Veränderung gesellschaftlicher Normen und politischer Macht. Ihr ephemerer Charakter wird daher auch in Wellen beschrieben. Sie enden oder scheitern, je nachdem, ob die gesetzten Ziele erreicht, politischer, sozialer oder auch kultureller Wandel eingetreten sind. Wesentlich ist, dass es in der Verbindung einzelner Personen zu Gruppen und sich erweiternden und verzweigenden Netzwerken gelingt, für bestimmte Forderungen und gemeinsame Interessen zu mobilisieren und den Protest in die Öffentlichkeit zu tragen. Indem diese Netze eine Brücke bilden zwischen privater und politischer Sphäre, repräsentieren sie einen gesellschaftlichen Freiraum, der heute im Konzept der Zivilgesellschaft für das Funktionieren der Demokratie besondere Beachtung erfährt.
Das Bild von Netzwerken weist darauf hin, dass die persönlichen Beziehungen unter Initiatorinnen und Aktivistinnen bewusst geknüpft werden, um zu gemeinschaftlichem Handeln zu ermächtigen und um weitere Anhängerinnen zu gewinnen. Das bedeutet, dass sie auf innere Verbundenheit, ein Wir-Gefühl, das heißt auf Solidarität angewiesen sind. Erst recht für Frauen, deren Rechte und Interessen im Staat nicht vertreten waren, erforderte das Heraustreten aus der Privatheit der Familie in die politische Öffentlichkeit neben dem „Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen“, auch die Kühnheit, sich der alleinigen „Bestimmung der Frau“ zur Gattin, Hausfrau und Mutter zu verweigern.
Das Netzwerk zwischen den Engagierten blieb.
In historischen Studien zur Geschichte der Frauenbewegung ist daher die Rede von Unterstützungsnetzwerken (female support networks), die in der Rebellion gegen die Gesellschaft notwendigen Halt geben. Aber auch bereits bestehende, persönliche Beziehungen (pre-existing networks) und emotionale Bindungen wie Freundschaften und verwandtschaftliche Kontakte, Briefwechsel und Ländergrenzen überschreiten den Korrespondenzen gaben in den Fesseln des Frauenalltags oft erst den Anstoß für gesellschaftliches und politisches Engagement. Weitere Beispiele sollen dies veranschaulichen:
Konferenzen und internationale Begegnungen waren immer wieder Gelegenheiten, weite Netze auszuspannen. So hatten sich die Initiatorinnen der US-amerikanischen Frauenbewegung, die ebenfalls 1848 zu einer nationalen Frauenrechtskonferenz in Seneca Falls nahe New York einluden, 1840 auf einem Anti-Sklaverei-Kongress in London kennengelernt und die Parallelen zwischen ihrem Engagement für die Sklavenbefreiung und ihrem Kampf um Gleichberechtigung entdeckt. Ihre in Seneca Falls verabschiedete „Declaration of Sentiments“ wendete sich, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 paraphrasierend, nicht mehr gegen den englischen König, sondern gegen die Tyrannei „des“ Mannes. Sie wurde zu einem Fanal nicht nur der amerikanischen Frauenrechtsbewegung, sondern versammelte auch in den nachfolgenden Jahren Gleichgesinnte zu einem regen transatlantischen Austausch ihrer programmatischen Schriften und war eine Stütze in den frauenpolitischen Aktivitäten in anderen Ländern Europas. Daran beteiligt waren z. B. Harriet Taylor Mill, deren Konferenzbericht über die Frauenrechtskonferenz von 1850 die Grundlage für den Weltbestseller „Die Hörigkeit der Frau“ (John Stuart Mill, 1869) bildete; Jeanne Deroin, die französische Frühsozialistin und Feministin, die in der französischen Frauenbewegung der 1848er Revolution eine führende Rolle gespielt hatte und deshalb verhaftet wurde. Noch aus dem Gefängnis übersetzte sie Harriett T. Mills Text ins Französische; die Schwedin Fredrika Bremer, deren Roman „Hertha“ nach ihrer Amerikareise den Anstoß für eine schwedische Frauenbewegung gab; die Achtundvierzigerin und Emigrantin Mathilde Franziska Anneke, die in den USA wieder eine Frauenzeitung herausgab und darin deutsche Texte zur Frauenemanzipation (z. B. Theodor G. von Hippels „Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber“, 1792) veröffentlichte; die Polin Ernestine Rose und andere mehr.
Der Ausgangspunkt der britischen Frauenbewegung waren Frauenclubs und einzelne Kampagnen in den 1850er und 1860er Jahren. Die „Ladies of Langham Place“ z. B. war ein Zirkel von Schriftstellerinnen, Künstlerinnen, Sozialreformerinnen, von Frauen der gehobenen Mittelschicht, die sich für die Verbesserung der Mädchen- und Frauenbildung und die Reform des Ehe- und Güterrechts einsetzten. In ihrem Haus am Langham Place hatten sie neben Büro- und Unterrichtsräumen ein Café und Clubräume eingerichtet und gaben ab 1858 die Zeitschrift „English Woman’s Journal“ heraus. Sie gründeten keinen Verein, ihr Medium war das gesprochene und geschriebene Wort, öffentliche Auftritte hielten sie jedoch für „unladylike“. Sie konnten schließlich John Stuart Mill dafür gewinnen, im englischen Parlament 1867 einen Antrag für das Frauenwahlrecht einzubringen. Die Wurzeln für den weltweit Aufsehen erregenden Kampf der englischen Suffragetten am Beginn des 20. Jahrhunderts sind auch hier zu suchen.

Im Deutschen Reich (seit 1871) trafen sich Ende der 1880er Jahre in Berlin im „vertrauten Kreis“ der Kronprinzessin Viktoria, der gebürtigen Engländerin, all die Frauen, die mit ihren Initiativen und Projekten für einen neuen Aufschwung der bürgerlichen Frauenbewegung sorgen sollten: Helene Lange, die mit ihrer „Gelben Broschüre“, einer Petition zur Verbesserung der Mädchenerziehung, die Emanzipation der Frau als Bildungsbewegung auf den Weg brachte; Minna Cauer mit der Gründung des „Verein Frauenwohl“, einem Nest weiblichen Widerstands, aus dem zahlreiche berufliche und sozialreformerische Initiativen und Vereine hervorgingen: der Verein Jugendschutz, die Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfstätigkeit, die Rechtsschutzvereine und viele andere.
Das Propagandamaterial wurde in Kinderwagen versteckt verbreitet, wie auch der Gemüsestand auf dem Markt und das Kaffeekränzchen zu heimlichen Treffpunkten der Genossinnen wurden.
Für die Arbeiterinnen und Sozialdemokratinnen, die zusätzlich zum Verbot politischer Betätigung von Frauen seit 1875 unter den Sozialistengesetzen politisch verfolgt wurden, dienten die persönlichen Beziehungen und ihre solidarische Praxis gerade dazu, ihre politische Betätigung im privaten weiblichen Alltag zu verbergen. Das Propagandamaterial wurde in Kinderwagen versteckt verbreitet, wie auch der Gemüsestand auf dem Markt und das Kaffeekränzchen zu heimlichen Treffpunkten der Genossinnen wurden. In den 1890er Jahren wurde unter der strengen Führung von Clara Zetkin daher das System der Vertrauenspersonen eingeführt, in dem Einzelne, durch ein Netzwerk verbunden, subversiv für den Zusammenhalt sorgten.
Erst recht die internationalen Frauenorganisationen wie der Internationale Frauenrat (International Council of Women, ICW) oder der Weltbund für Frauenstimmrecht (International Alliance of Women, IAW), die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg weltweit eine hohe Zeit der historischen Frauenbewegung einleiteten, basierten im Wesentlichen auf der Verbindung von persönlichen Netzwerken, in denen sich politisches Engagement mit Freundschaften mischte. Das ergibt sich einerseits aus dem oft überschwänglichen Anspruch der Aktivistinnen, jenseits eines männlichen Politikstils und nationaler Machtinteressen mit weiblicher Erfahrung und Kultur im Sinne von Schwesterlichkeit die Welt zu verändern. Andererseits barg das auf Emotion und Übereinstimmung gegründete politische Engagement auch das Risiko, an realer Machtpolitik zu scheitern, wie der Erste Weltkrieg zeigen sollte.
Schließlich ist die neue Frauenbewegung der 1970er Jahre, wie die anderen Bürgerrechts- und Protestbewegungen dieser Zeit, ein Musterbeispiel für das Funktionieren von Netzwerken als Organisationsstruktur. In ausdrücklicher Abgrenzung zu Parteien und den bereits bestehenden traditionellen Frauenorganisationen, wie dem Deutschen Frauenrat, verstand sie sich als Basisbewegung, die Stellvertreterpolitik und Vorsitzende oder gar „Führerinnen“ ablehnte. Ihre ersten Texte und Verlautbarungen wurden von Autorinnenkollektiven, Weiberräten oder als Verständigungstexte in „Frauenhandbüchern“ ohne Autorschaft publiziert. Das galt auch für die international ausgetauschten Lektüren unter dem Motto „Frauen gemeinsam sind stark“, die Inspiration und neues Selbstbewusstsein boten. Die zunehmende öffentliche Aufmerksamkeit und Wahrnehmung als „Frauenbewegung“ beruhte auf einer Vielzahl von Initiativen und Projekten, die mit der radikalen Infragestellung bisheriger Gleichberechtigungspolitik und dem Verweis auf die anhaltende Diskriminierung und Gewalt in den Geschlechterverhältnissen Anhängerinnen mobilisierten. Die Handlungsfelder und die Knoten dieses Netzwerks waren neue Begegnungsformen und eigene Frauenräume wie Frauenzentren, Selbsterfahrungsgruppen, Buchläden oder Notrufe und Frauenhäuser zum Schutz gegen Gewalt sowie außerhalb von Lehrplänen organisierte, autonome Frauenseminare an Universitäten und Volkshochschulen. Es gab eine reiche, auch transnational vernetzte Frauenliteratur sowie in den Anfängen mehrere im Kollektiv herausgegebene Frauenzeitschriften. In der Rückschau ist es ein Missverständnis der Medien, dieses komplexe, auch unübersichtliche Miteinander oder Gegeneinander von politischen Zielsetzungen und Aktivitäten an einzelnen Personen und ihren Verdiensten festzumachen. Das Beharren auf politischer und ökonomischer Unabhängigkeit, Autonomie im Privaten und Politischen sowie die bewusst nicht hierarchische Form der Vernetzung waren die Stärke dieser Frauenbewegung. Sie geriet zur Schwäche, wenn das Festhalten am Prinzip der Autonomie als Prüfstein für Radikalität die Durchsetzung politischer Ziele und strategischer Bündnisse erschwerte. Doch darin offenbart sich ein Dilemma, das in der neuen Frauenbewegung wiederholt diskutiert wurde: Mit jeder Form der Institutionalisierung, mit der ein Ziel der Bewegung um Recht und Teilhabe erreicht wird, ist die Bewegung insoweit still gestellt. Weitergehende Ziele bedürfen neuer Akteurinnen und Akteure, die in der Lage sind, Netzwerke und Allianzen zu knüpfen. Denn für einen Feminismus als demokratisches Projekt bleibt noch viel zu tun.
Ute Gerhard ist emeritierte Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Geschlechterforschung an der Goethe Universität Frankfurt am Main.
Dieser Text ist Teil des Dossiers „Vernetzt – Frauennetzwerke“. Die einzelnen Beiträge des Dossiers werden durch Bilder der Künstlerin Stephanie Jünemann begleitet.