Recht bewegt Bewegungen und Bewegungen bewegen Recht. Das galt auch für das Recht auf eine selbstbestimmte Sexualität, wie es von der LGBTIQ*-Community gefordert wurde. Die Verankerung selbstbestimmter Sexualität in den Menschenrechten war eine frühe Forderung homosexueller Kollektive in der Bundesrepublik und weltweit. Welche queeren Bewegungen an der Mobilisierung dieses individuellen Rechts beteiligt waren und welche Debatten, Konflikte und Praktiken damit einhergingen, ist die zentrale Frage des Teilprojekts. Damit knüpfen wir an die zentrale Fragestellung der FOR an, denn normative Vorstellungen von Sexualität sind immer auch und das Allgemeine eingeschrieben. Wie jeweils ein neues Gemeinsames entsteht interessierte auch homosexuelle Bewegungen. Dafür untersucht das TP erstens, wie bundesdeutsche lesbisch-schwule Gruppen versucht haben, die Forderung nach sexueller Selbstbestimmung in die Debatten um Menschenrechte einzuschreiben. Zentral in diesem Zusammenhang ist, wie der transnationale Verband „International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association“ (ILGA) rechtliche Forderungen vertrat und diese wiederum nationale Debatten beeinflussten. Die Strategien der ILGA sind dabei ebenso von Interesse wie die Veränderungen der Konzeptionen von Geschlecht und Sexualität in den geführten Debatten. Die Analyse entsprechender transnationaler Verflechtungen erweitert nicht nur die Geschichtsschreibung der Menschenrechte, sondern auch die der queeren Bewegungen. Zweitens untersucht das TP den rechtlich verfassten Bereich von Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Perspektive wird verknüpft mit einer bisher nicht geschriebenen Geschichte der Selbstorganisation von Beratungs- und Bildungsangeboten für LGBTIQ*-Jugendliche, und hier v. a. der rechtlichen Dimension von Pädagogisierungsinitiativen der Lesben- und Schwulenbewegung. In diesem Untersuchungsfeld treten Menschenrechte auf zweierlei Weise in Erscheinung: Die Akteur*innen verstanden sich zum einen explizit als Menschenrechtsaktivist*innen und legitimierten ihre politischen Ziele mit dem Verweis auf Menschenrechte. Zum anderen entwarfen sie ihre emanzipatorischen Pädagogisierungskonzepte auf der Basis des Konzepts der Menschenrechtsbildung. Das TP leistet damit einen wichtigen Beitrag zu aktuellen zeithistorischen Debatten um die Kulturgeschichte des Rechts, die Wechselbeziehungen nationaler und transnationaler Rechtsdiskurse sowie die Geschichte queerer Bewegungen.
Projektleitung
Herr Prof. Dr. Martin Lücke
Zuwendungsempfänger
Freie Universität Berlin
- Laufzeit des Projekts:
2018 – 2022 (Förderphase 1) - Art des Projekts:
Forschungsprojekt, Teilprojekt der DFG-Forschungsgruppe Recht – Geschlecht – Kollektivität - Förderung:
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)