Christian Höppner
Im Jahr 2016 hat der Deutsche Kulturrat klar und unmissverständlich formuliert: „Der Deutsche Kulturrat tritt für Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbereich ein. Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbereich entspricht dem verfassungsrechtlichen Ziel der Gleichstellung von Mann und Frau. Der Staat hat die Möglichkeit und die Verpflichtung, Maßnahmen zu ergreifen, um dieses Ziel zu erreichen. Dazu gehören vor allem, die Voraussetzungen für eine stärkere Präsenz von Frauen in Leitungsfunktionen von Kultur- und Medienunternehmen zu schaffen, die Partizipation von Frauen an der individuellen Künstlerinnen- und Künstlerförderung zu erhöhen und eine Gleichstellung hinsichtlich der Honorare für freiberufliche Künstlerinnen zu sichern. Mit entsprechendem politischen Willen sind diese Maßnahmen umsetzbar, ohne die Freiheit der Kunst im Sinne des Grundgesetzes infrage zu stellen. Deshalb gilt es, sich nachhaltig für mehr Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen, hierfür die entsprechenden Umsteuerungen vorzunehmen und Ressourcen einzusetzen. Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbereich darf kein Spezialthema bleiben, sondern soll zum festen Bestandteil kulturpolitischer Forschung, kulturpolitischer Diskussion und kulturpolitischen Handelns werden. Es geht darum, in den Bereichen, in denen bislang für Frauen oder für Männer Nachteile bestehen, die Voraussetzungen für ein ausgeglichenes Verhältnis zu schaffen.“
Dass bei der Umsetzung dieses Zieles noch viel zu tun ist, das belegen Daten mit Blick auf den Gender-Pay-Gap, das zeigt ein Blick auf die Vergabe herausragender Preise an Frauen und an Männer. Es wird deutlich, wenn betrachtet wird, wie viele Männer und wie viele Frauen in Leitungspositionen in Kultureinrichtungen oder auch Kultur- und Medienunternehmen tätig sind. Gleichwohl und darauf will ich gleich zu Beginn hinweisen, hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Es gilt darum, meines Erachtens, die erreichten Erfolge herauszustellen und an dem, was noch zu tun ist, weiterzuarbeiten.
Für den Deutschen Kulturrat sind die Fragestellungen „Frauen in Kultur und Medien“ oder auch Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbetrieb keine neuen Themen. Die eingangs zitierte Stellungnahme ist bereits sechs Jahre alt und auch schon zuvor haben wir uns mit dem Thema befasst.
Fast 30 Jahre begleitet den Deutschen Kulturrat die Frage nach der Präsenz von Frauen im Kultur- und Medienbetrieb. Fast ebenso lange veröffentlicht der Deutsche Kulturrat Studien zu dem Thema und befasst sich in seinen politischen Gremien damit, die zu Stellungnahmen und Positionspapieren verdichtet werden. Um zu zeigen, über welch langen Zeitraum wir das Thema verfolgen, will ich exemplarisch einige Studien aufführen.
Bereits im Jahr 1995 hat der Deutsche Kulturrat die erste Studie unter dem Titel „Frauen in der Kultur“ veröffentlicht. Bei der Erarbeitung dieser Studie hat seinerzeit das Zentrum für Kulturforschung die sekundärstatischen Analysen übernommen. Der Deutsche Kulturrat hat eine Befragung seiner Mitglieder durchgeführt und leitfadengestützte Interviews mit Verbänden aus der Wirtschaft, den Parteien, der Wohlfahrtspflege geführt. Uns ging es seinerzeit bereits darum, herauszuarbeiten, was spezifische Probleme des Kultur- und Medienbereichs hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Ziels Gleichberechtigung und welche Probleme eher gesamtgesellschaftlicher Natur sind. Meines Erachtens ist dieser Aspekt von besonderer Relevanz. Es geht einerseits um kulturspezifische Fragestellungen und andererseits um gesamtgesellschaftliche Entwicklungen. Die erste Studie 1995 hatte im Deutschen Kulturrat und seinen Mitgliedsorganisationen eine lebhafte Diskussion hervorgerufen. Nicht zuletzt deshalb, weil die Ergebnisse teilweise wenig schmeichelhaft waren und der Änderungsbedarf innerhalb der Kulturverbände aufzeigt wurde.
Im Jahr 2002 erschien „Frauen in Kunst und Kultur II„. Hier wurde das Einkommen von Künstlerinnen im Vergleich zu dem von Künstlern in den Blick genommen. Es wurde untersucht, wie viele Frauen im Vergleich zu Männern an der individuellen Künstlerinnen- und Künstlerförderung partizipieren und vor allem wie viele Frauen Kultureinrichtungen führen. Aufgrund der Finanzierung durch die Kultusministerkonferenz wurden die genannten Parameter länderspezifisch ausgewiesen. Das Ergebnis führte zu deutlichen Debatten innerhalb der Länder und zwischen den Ländern. Besonders interessant war die Debatte mit den Referentinnen und Referenten der Länder, die für das Thema „Frauen in Kultur und Medien“ verantwortlich waren. Die Kulturministerkonferenz hat das Thema Frauen in Führung in Kultureinrichtungen während der Präsidentschaft des Landes NRW erneut aufgegriffen und ich hoffe, es wird landesseitig auch weiterverfolgt werden.
Aber auch in anderen Studien des Deutschen Kulturrates wie z. B. der 2009 erschienenen Studie „Der WDR als Kulturakteur“ wurde das Thema Geschlechtergerechtigkeit konsequent weiterverfolgt.
Im Jahr 2013 legte der Deutsche Kulturrat die Studie „Arbeitsmarkt Kultur. Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Kulturberufen“ auf. In dieser Studie wurde der Frage nachgegangen, wie viele Frauen und wie viele Männer einen Kulturberuf anstreben. Hier zeichnete sich ab, was durch die nachfolgenden Studien immer wieder belegt wurde, die Segregation in Frauen- und in Männerberufe im Kultur- und Medienbereich. Oder um es grob vereinfacht auf den Punkt zu bringen: die Technik den Männern, die Vermittlung den Frauen. Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede finden ihre Fortsetzung in der Bezahlung – insbesondere bei freiberuflichen Künstlerinnen und Künstlern. Gender-Pay-Gap, ist das Stichwort, das vom Deutschen Kulturrat 2013 deutlich herausgearbeitet wurde, im Fachausschuss Arbeit und Soziales immer wieder thematisiert wird.
Im Jahr 2016 legte der Deutsche Kulturrat die Studie „Frauen in Kultur und Medien“ vor, die für ein Erdbeben sorgte. Wieder wurde betrachtet, wie viele Frauen und Männer Studiengänge absolvieren, die für einen Kulturberuf qualifizieren. Wieder wurde das Einkommen freiberuflicher Künstlerinnen und Künstler untersucht und ein deutlicher Gender-Pay-Gap festgestellt. Erneut wurde die individuelle Künstlerinnen und Künstlerförderung auf den Prüfstand gestellt und festgestellt, dass Frauen sowohl in Jurys als auch als Preisträgerinnen unterrepräsentiert sind. Wieder wurde der Frage nachgegangen, wie viele Frauen Kultureinrichtungen leiten und ermittelt, dass trotz positiver Entwicklungen in einigen Bereichen nach wie vor Nachholbedarf besteht. Noch einmal wurde der Deutsche Kulturrat selbst, insbesondere seine Gremienbesetzung, hinterfragt.
Sowohl mit Blick auf die umfängliche Fragestellung als auch die Tiefe der Analyse wurde mit der Studie Pionierarbeit geleistet. So umfänglich wurden bis zu dem Zeitpunkt die verschiedenen künstlerischen Sparten noch nicht in den Blick genommen. Der positive Effekt des Erdbebens war, dass die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters das Thema aufgegriffen hat. Zuerst mit einem Runden Tisch, an dem sehr unterschiedliche Expertinnen und Experten aus den verschiedenen Sparten zu Wort kamen und ihre spezifische Situation sowie Anforderungen formulierten. Im Deutschen Kulturrat hat sich, wie bereits ausgeführt, der Fachausschuss Arbeit und Soziales sehr intensiv mit den Fragestellungen befasst. Und: Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat weitere Studien des Deutschen Kulturrates sowie ein Mentoring-Programm für Frauen, die Führungspositionen anstreben, gefördert. Dieses Programm befindet sich nun schon in der Verlängerung. Bereits fünf Runden an Mentees wurden vor allem von Mentorinnen aber auch von einigen Mentoren bestritten. Es sind bemerkenswerte junge Frauen, die bereits einige Schritte auf der Karriereleiter gegangen sind und auf diesem Weg durch das Mentoring bestärkt werden. Als Mentor kann ich nur sagen, dass ich persönlich sehr von den anregenden Gesprächen mit meiner Mentee profitiert habe.
In diesem Sinne verbindet der Deutsche Kulturrat Studien, politische Forderungen und praktische Förderung um das alte, aber nach wie vor aktuelle Thema Frauen in Führung.
Christian Höppner ist Präsident des Deutschen Kulturrates.
Dieser Text ist Teil des Dossiers „Frauen in Führung“. Die einzelnen Beiträge des Dossiers werden durch Illustrationen prägender Frauen aus der Vergangenheit bis in die Gegenwart begleitet.