Rahel Varnhagen (1771−1833) würde heute wahrscheinlich als geniale Netzwerkerin bezeichnet werden. In ihrem Salon trafen sich Schriftstellerinnen, Ärzte, Beamte, Politiker, Militärs, Wissenschaftler, Schauspielerinnen und andere mehr. Sie brachte Menschen zusammen, miteinander ins Gespräch. So manche lebenslange Freundschaft entstand bei diesen Treffen. Als sich so bekannte Persönlichkeiten wie Alexander und Wilhelm von Humboldt, Friedrich Schleiermacher, Friedrich Schlegel und andere im Salon der Rahel Levin, später verheiratete Varnhagen, trafen, waren sie jung und es war keineswegs abzusehen, zu welchem Ruhm sie es bringen würden. Sie haben sich gegenseitig gefördert, teils auch befehdet. Jüdische Frauen, wie die erwähnte Rahel Varnhagen oder auch Henriette Herz (1764−1847), stellten mit ihrem Netzwerken die Weichen für so manche Karriere.
Die erste Frauenbewegung Ende des 19. Jahrhunderts, der Kampf um das Frauenwahlrecht, die Auseinandersetzungen um den Zugang zu Bildung und bestenfalls zum Studium wären ohne die Netzwerke couragierter Frauen nicht denkbar. Clara Zetkin, Helene Lange, Louise Otto, Minna Cauer, um nur einige zu nennen, waren Vorkämpferinnen der Emanzipation. Sie hatten unterschiedliche politische Hintergründe und Positionen, ihre Gemeinsamkeit bestand darin, dass sie sich Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts für Frauenrechte einsetzten und hierfür ihre Netzwerke nutzten.
Eine moderne Salonière war Ida Dehmel (1870−1942). In ihrem Haus trafen sich Anfang des 20. Jahrhunderts Künstlerinnen und Künstler, sie vernetzte sie miteinander. Um insbesondere Künstlerinnen und ihr Schaffen zu fördern, gründete sie im Jahr 1926 die GEDOK, die Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstfreunde, ein bis heute funktionierendes Netzwerk.
Heute gibt es weitaus mehr Netzwerke von Künstlerinnen bzw. von Frauen aus dem Kultur und Medienbetrieb. Manche regional verankert, andere wiederum bundesweit tätig. Mitunter fällt es schwer, den Überblick zu behalten. Wir wollen mit dem vorliegenden Dossier etwas Orientierung in diese Vielfalt bringen.
Festzuhalten ist, dass es längst neben den vor Jahrzehnten vor allem männlich geprägten Netzwerken im Kultur und Medienbereich heute eine Vielzahl von Frauennetzwerken gibt. Gleichfalls haben Frauen sich so erfolgreich vernetzt, dass sie mit Kolleginnen und Kollegen die bestehenden kulturpolitischen Verbände aufmischen und erfolgreich in Spitzengremien netzwerken. Gut so. − Denn von Netzwerken und vom Netzwerken lebt der kulturpolitische Diskurs.
Olaf Zimmermann ist Herausgeber von Politik & Kultur und Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
Dieser Text ist Teil des Dossiers „Vernetzt – Frauennetzwerke“. Die einzelnen Beiträge des Dossiers werden durch Bilder der Künstlerin Stephanie Jünemann begleitet.