Theaterregisseurinnen über Struktur und Ästhetik
Das Ende der Kunst oder eine längst überfällige Maßnahme? Als die Leiterin des Berliner Theatertreffens Yvonne Büdenhölzer im Jahr 2019 die 50%-Frauenquote einführte, wurde sie scharf kritisiert. Schließlich verleitet die Quote geradezu reflexhaft zum Widerspruch: Trifft die eingeladenen Regisseurinnen nicht der Generalverdacht, dass sie es nur „auf dem Rockticket“ ins Rampenlicht geschafft haben? Ist bei so einer Vorgabe sogar die Unabhängigkeit der Auswahl-Jury in Gefahr? Und damit die Qualität des bedeutendsten Theaterfestivals im deutschsprachigen Raum? Andererseits: Kann es einzig an der künstlerischen Kompetenz liegen, wenn in den 56 Festival-Jahren zuvor gerade mal 27 eingeladene Frauen 193 Männern gegenüberstanden?
Die Kritikerinnen Sabine Leucht, Petra Paterno und Katrin Ullmann, die es zusammengerechnet auf acht Jahre Jurytätigkeit beim Theatertreffen bringen, nehmen diese Fragen zum Ausgangspunkt ihrer Publikation. Regisseurinnen wie Andrea Breth, Barbara Frey, Yael Ronen, Anne Lenk, Florentina Holzinger und Pınar Karabulut sprechen darin über weibliche Ästhetik und Arbeitsweisen, über Erfolge, Hürden sowie Wirkung und Sinn der Quote. Das Ergebnis ist vielstimmig und erhellend: Erstmals äußern sich Theaterfrauen offen zu ungleichen Produktionsbedingungen, mangelndem Respekt, sexistischen Verhaltensweisen und zum Gender-Pay-Gap. Das Buch stellt alle zwischen 2020 und 2023 zum Theatertreffen eingeladenen Regisseurinnen vor, macht Kunstproduktion transparent und liefert einen differenzierten Beitrag zur Strukturdebatte am Theater.
Sabine Leucht, Petra Paterno, Katrin Ullmann (Hg.). Status Quote. Theaterregisseurinnen über Struktur und Ästhetik. Leipzig 2023