Frauen in der Außenpolitik
Von Elisabeth Motschmann
Münchner Sicherheitskonferenz 2017 – mit Mühe war es mir gelungen, eine Einladung zu bekommen. Und als ich den Konferenzsaal betrat, habe ich gestaunt. Die Anzahl der Frauen war verschwindend gering. Im Publikum, auf den Podien, in den Arbeitsgruppen, wohin man sah, Staatschefs und Minister mit großem männlichen Anhang, Botschafter, Politiker, Journalisten, Wissenschaftler – mehr als 80 Prozent Männer. Das kann doch im 21. Jahrhundert nicht sein, dachte ich.
Angela Merkel hielt eine Rede, Ursula von der Leyen ein Opening Statement, einige Frauen waren als Moderatorinnen eingesetzt. Das waren die Ausnahmen. Darüber konnte man sich freuen, wenn da nicht die ernüchternde Gesamtbilanz gewesen wäre, die sich auch auf der Sicherheitskonferenz 2018 wiederholt hat: kaum Frauen auf dieser wichtigen außenpolitischen „Bühne“. Es ist doch irgendwie deprimierend, dass eine so wichtige Veranstaltung zur Außen- und Sicherheitspolitik weitgehend ohne Frauen stattfindet.
Außen- und Sicherheitspolitik ist sowohl national als auch international noch immer weitgehend eine Männerdomäne. Wenn es um Krieg und Frieden geht, sitzen nur vereinzelt Frauen an den Verhandlungstischen. Ob in den Vereinten Nationen, ob in der Europäischen Union oder in den Medien – wenn es um Außenpolitik geht, sind Frauen die Ausnahme. Sie bleiben im Hintergrund. Es ist schon erstaunlich, dass in Talkshows zu außenpolitischen Themen meist männliche Experten eingeladen werden. So wird bei Anne Will Trumps Außenpolitik oder Europas Reaktion auf Trumps Handelszölle nur mit männlichen Experten diskutiert. Herrscht wirklich die Meinung, dass zu diesem Thema nur Männer etwas zu sagen haben? Werden allen Ernstes keine Expertinnen gefunden? Woran liegt das? Liegt es an den Frauen selbst, ihrer Ausbildung oder an den Strukturen? Fehlt ihnen oder den amtierenden männlichen Vertretern der Außenpolitik der Wille, an dieser Situation etwas zu ändern? Wohl kaum.
Viele Frauen, in Deutschland, in Europa und gerade auch in außereuropäischen Staaten, haben sich durchaus international einen Namen gemacht. Sie sind Expertinnen auf ihrem Gebiet. Ihr diplomatisches Geschick ist unbestritten und es ist – wo immer es eingesetzt wird – friedensstiftend. Frauen können Brücken bauen, auch in schwierigsten Situationen. Deshalb ist ihr Einsatz in der Außenpolitik so wichtig, ja unverzichtbar.
In Parlamenten, Ministerien, in Universitäten, Stiftungen, in Thinktanks, in Redaktionen findet man Frauen, die sich intensiv und kompetent mit Außenpolitik beschäftigen. Sie handeln, sie sprechen und schreiben, sie schlichten und entscheiden. Schon 1984 schrieb Helmut Kohl: „Dieses Engagement der Frauen brauchen wir in Zukunft nötiger denn je bei der Bewältigung der vor uns liegenden Aufgaben, auf unserem Weg zu mehr Verständigung der Welt.“
Wie unverzichtbar ihre Mitarbeit in der Außenpolitik ist, ergibt sich unter anderem auch aus der Tatsache, dass sie z. B. in der islamischen Welt viel leichter mit Frauen reden können als jeder Mann. Frauen und Kinder sind von den Problemen und Konflikten in der Welt hart betroffen, und sie haben kaum Möglichkeiten, sich zu wehren, wenn man ihnen nicht eine Stimme gibt.
Das Engagement von Frauen reicht von der auswärtigen Kulturpolitik bis hin zu Fragen der Verteidigungspolitik. Als relevante Themenfelder kommen beispielsweise die aktuelle Türkeipolitik Recep Tayyip Erdoğans, die Beziehungen Deutschlands zu Russland und den osteuropäischen Staaten, Zukunftsperspektiven der transatlantischen Partnerschaft, der aktuelle Stand der Menschenrechte, Ansätze einer erfolgreichen Entwicklungshilfepolitik, Perspektiven der Europäischen Union nach dem Brexit, die Arbeit in der Flüchtlingshilfe, der Kampf gegen Rassismus und die Rolle der Frau in der Bundeswehr. Dabei wird deutlich, dass es keine einzelnen, isolierten Krisen in der Welt gibt, sondern dass wir es mit „zusammenhängenden Krisenlandschaften“, mit globalisierten Krisen zu tun haben.
Alles hängt mit allem zusammen. Die Probleme in Afrika, Syrien oder Afghanistan haben durch die dadurch ausgelösten Flüchtlingsbewegungen unmittelbar Einfluss auf Europa, auf Deutschlands Innenpolitik. Spannend sind die persönlichen Erlebnisse und Erschwernisse von Frauen in der Außenpolitik. Sie müssen sich mehr als auf anderen Gebieten ihre beruflichen Positionen, die Podien und Expertenrunden erkämpfen.
Im Buch „Female Diplomacy: Frauen in der Außenpolitik“ habe ich Autorinnen versammelt, die es in der Außenpolitik geschafft haben. Sie haben sich ihren Weg gebahnt. Aber wie viele Frauen stehen ante portas und suchen nach einem Weg in die Männerdomäne Außenpolitik? Wenn es gelingt für diese Situation zu sensibilisieren, wäre viel erreicht. Außerdem soll Mut gemacht werden, dass sich mehr Frauen in die außenpolitischen Diskussionen einbringen und einbezogen werden. Wenn sie in der Außenpolitik nicht so zu Wort und zum Einsatz kommen, wie es wünschenswert wäre, müssen wir die Sache selbst in die Hand nehmen, war mein Gedanke.
Elisabeth Motschmann, MdB ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages und Herausgeberin des Buches „Female Diplomacy: Frauen in der Außenpolitik“
Mehr dazu: Das Buch „Female Diplomacy: Frauen in der Außenpolitik“ ist 2018 im Verlag Herder erschienen. Es enthält Beiträge von Marielusie Beck, Maria Böhmer, Ursula von der Leyen, Michelle Müntefering und anderen. Es wurde von der außenpolitischen Expertin Silke Tempel unterstützt.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3|2019.