Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Von Elisabeth Motschmann
Sie sind die vergessenen Heldinnen der deutschen Geschichte: Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Sie werden in der öffentlichen Wahrnehmung noch immer weitgehend ignoriert, verdrängt und auch vergessen. In Erinnerung an den deutschen Widerstand gedenken wir meist der Widerstandskämpfer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Dietrich Bonhoeffer, Hans von Dohnanyi, Julius Leber und vielen mehr. In einer gewissenlosen und menschenverachtenden Diktatur planten sie das Attentat, planten sie eine politische Ordnung nach Hitler. Sie riskierten ihr Leben. Am Ende verloren sie ihr Leben. Und sie sind in die Geschichte eingegangen. Zu Recht. Doch an kaum einer Stelle unserer Widerstandsgeschichte werden die Frauen beachtet. Zu Unrecht.
Frauen waren im Nationalsozialismus in vielen Widerstandsgruppen in großer Anzahl vertreten und aktiv am Widerstand beteiligt: Ob republikanische Solidarität oder christliche Überzeugung, ob Pazifismus, reine Menschlichkeit oder Vaterlandsliebe. Neben den Attentaten auf Hitler gab es Flugblätter und Handzettel, gab es die Rote Kapelle und die Weiße Rose, gab es die Arbeit des Kreisauer Kreises und vieles mehr. Viele Namen von Widerstandskämpferinnen kennt man nicht.
Oder sagen Ihnen die Namen Elisabeth Abegg, Helene Jacobs, Louise Schroeder, Liselotte Herrmann oder die Bremerin Anna Stiegler etwas?
Das muss sich ändern! Sie stehen hier beispielhaft für alle Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Denn eines waren diese Frauen ganz bestimmt nicht: unbeteiligt.
In der Nachkriegszeit fand erst einmal keine Aufarbeitung statt. Die Frauen mussten sich als Frauen von „Volksverrätern“ beschimpfen lassen. Sie bekamen keinerlei finanzielle Unterstützung, ihre Kinder wurden geächtet und isoliert. All diese Frauen zu würdigen, fiel in den Nachkriegsjahren auch lange Zeit ideologischen Aspekten zum Opfer. Frauen, die Widerstand leisten, Frauen, die eine eigene Meinung haben und die sich in Politik einmischen. Das war ein Frauenbild, das sowohl während als auch nach dem Krieg nicht zusammenpasste. Nach Adolf Hitler war „ein Frauenzimmer, das sich in politische Sachen einmischt (…) ein Greuel“. Die Aufgabe der Frau bestand in seinem Weltbild darin, „(…) schön zu sein und Kinder zur Welt zu bringen“. Dieses Weltbild ist mit dem Ende des Nationalsozialismus nicht einfach so verschwunden.
Dass viele Widerstandskämpferinnen in unserer Erinnerungskultur ignoriert, verdrängt und vergessen wurden, liegt unter anderem auch an deren privater politischer Meinungsbildung und Geschichte. Etliche Frauen stammten aus sozialistischen Elternhäusern, waren in kommunistische Jugendgruppen hineingewachsen oder gehörten der Sozialistischen Arbeiterpartei an. Solche Lebensläufe fanden in Zeiten des Kalten Krieges in der westdeutschen Widerstandsbetrachtung keinen Platz. Und nicht zuletzt wurden viele der Widerstandskämpferinnen in der Geschichtsschreibung zwar schon erwähnt, aber meist als eine Art Anhängsel. Als „Frau, Verlobte, Freundin von“, ohne dass ihre Handlungen tatsächlich erzählt oder gewürdigt wurden.
75 Jahre nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler ist längst überfällig, dass ihre Leistung, ihr Mut und ihr Schicksal anerkannt werden.
Der Bundestag hat am 28. Juni einen von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion initiierten Antrag mit dem Titel „Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ beraten. In diesem Antrag würdigen wir den Mut und den Einsatz dieser Frauen. Wir wollen die Wanderausstellung „Unsere wahre Identität sollte vernichtet werden“ im Deutschen Bundestag ausstellen, die Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand mit einem Forschungsprojekt unterstützen und ab 2024 eine Sonderbriefmarkenreihe auflegen.
Es ist und bleibt unsere Verantwortung, die Erinnerung an die dunkelste Epoche der deutschen Geschichte und an den gesamten Widerstand wachzuhalten.
Elisabeth Motschmann, MdB ist kultur- und medienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 9|2019.