Seit Veröffentlichung des Artikels „The Strength of Weak Ties“ von Mark Granovetter im Jahr 1973 hat das Konzept des Netzwerkes in den Sozialwissenschaften Furore gemacht. Netzwerke gelten inzwischen als moderne Form der Unternehmensorganisation; ihnen kommt eine zentrale Bedeutung in den Governance-Ansätzen der Politikwissenschaft zu, die eine partizipative und selbstorganisierte Form des Regierens zum Ziel haben; und sie gelten als Schlüssel für individuellen Erfolg im Beruf und in der Profession.
Der Grund, warum Netzwerken in modernen Gesellschaften eine zentrale Bedeutung zukommt, ist in ihrer Brückenfunktion zu sehen. Wir tragen Anliegen, Ideen, Konzepte und Positionen individuell vor, die allzu leicht Gefahr laufen zu verpuffen und nicht weiter verfolgt zu werden. Erst durch ihre Verbreitung im Netzwerk wird eine Bündelung und Lautverstärkung insofern erzielt, als es sich dann nicht mehr um ein Anliegen einzelner handelt, sondern um eine Forderung vieler, die von Gesellschaft, Politik oder Wirtschaft nicht mehr überhört oder übersehen werden kann und daher wirkungs- und veränderungsmächtig wird.
Erst durch ihre Verbreitung im Netzwerk wird eine Bündelung und Lautverstärkung erzielt…
Als gesellschaftliches Phänomen sind Netzwerke Ausdruck der Moderne. Die Zugehörigkeit zu und das Mitmachen in einem Netzwerk beruhen auf individueller und freiwilliger Entscheidung. In der Vormoderne war dies nicht möglich. Gesellschaftliche Strukturierung basierte auf der Zugehörigkeit zu einem Stand, einer Gilde oder Kaste, in die die Menschen hineingeboren wurden. Individuelle soziale Mobilität war daher kaum möglich; entsprechendes galt für tiefgreifende gesamtgesellschaftliche Veränderungen. Das lange 19. Jahrhundert gilt als die Keimzelle und Eldorado der gesellschaftlichen Neustrukturierung durch Netzwerke. Meist wurden diese als freiwillige Vereinigungen – Vereine, Verbände, Assoziationen – rechtlich organisiert; viele von ihnen sind auch heute noch in zentralen Bereichen aktiv und strukturieren nach wie vor Wirtschaft (Verbände), Politik (Parteien), Arbeit (Gewerkschaften, Berufsverbände), Wissenschaft (Fachverbände) und Freizeit (Vereine).

Allerdings eröffnete das 19. Jahrhundert neue Chancen und Möglichkeiten der Selbstorganisation und Vernetzung zunächst ausschließlich für Männer. Denn mit der damaligen Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft erfolgte eine genderspezifische Aufteilung des öffentlichen Raums bzw. der Öffentlichkeit an und für sich. Auf den Punkt gebracht: „Die Frau“ wurde in ihrem Wirkungskreis auf die Familie und insbesondere auf ihre Rolle als Mutter reduziert, während „der Mann“ als Unternehmer, Politiker, Wissenschaftler oder auch als künstlerisches Genie in der Öffentlichkeit tätig war und diese maßgeblich gestalteten konnte. Frauen wurde schlichtweg gesetzlich der Zugang zu den sich institutionalisierenden Netzwerken der Männergesellschaft verwehrt, indem sie unter anderem vom Wahlrecht ausgeschlossen waren, nicht arbeiten und auch kein Vermögen besitzen durften. Gleichzeitig war ihnen unter Zuhilfenahme sogenannter wissenschaftlicher Erkenntnisse der Zutritt zu Bildung und damit die Möglichkeit der Qualifizierung und Professionalisierung als Eintrittsbillet in die Berufs- und Arbeitswelt untersagt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, die sich aufgrund traditioneller Regelungen, wie etwa der Thronfolge bei Queen Victoria oder infolge der gesellschaftlichen Rand- und Sonderstellung des Künstlers in der bürgerlichen Gesellschaft, wie etwa bei Clara Schuman, ergaben, waren Frauen in der Öffentlichkeit nicht mehr bzw. nur noch in Verbindung mit einem Mann – Vater oder Ehemann – in der Öffentlichkeit präsent.
Vor dem Hintergrund dieses historischen Kontextes erschließt sich die besondere Bedeutung und die politische Relevanz von Frauennetzwerken. Ein wesentliches Moment der Netzwerkbildung und des Zusammenschlusses von Frauen war und besteht immer noch in ihrer Zielsetzung, nämlich die bestehenden und für Frauen nachteiligen Verhältnisse nachhaltig zu verändern. Häufig beziehen sich die Anliegen der Frauennetzwerke auf die Arbeitswelt und die Professionen: Es gilt den Frauen eine Stimme zu geben und ihre Interessen gerade auch gegenüber den überwiegend männlich dominierten Berufsverbänden zu vertreten. Dies trifft auch für die Wissenschaft zu und zwar als gesellschaftliches System, zu dem Frauen lange Zeit gänzlich der Zugang verwehrt wurde. So war eine Anstellung im Wissenschaftsbetrieb einer Universität in Deutschland erst ab den 1920er Jahren des letzten Jahrhunderts möglich. Der Ausschluss von Frauen aus der politischen Öffentlichkeit war nicht nur menschenrechtswidrig, sondern hatte auch eine systematische und strukturell bedingte Nicht-Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Themen in der Politik zur Folge. Unter dem Leitmotiv „Das Private ist politisch!“ und „Mein Bauch gehört mir!“ führten die Netzwerke und gezielten Aktionen der Frauenbewegung der 1970er Jahre zur Veränderung der gesetzlichen Regelungen. Entsprechendes gilt für ein breites Spektrum von Anliegen, die sich aus einer gesellschaftlich verankerten de facto Zuweisung von Verantwortlichkeit an Frauen für Kinderbetreuung und Haushalt ergeben. Auch hier konnten Frauennetzwerke gesetzliche Veränderungen, wie etwa das Recht auf Kita-Plätze, erzielen. Gleichwohl bleibt immer noch viel Arbeit für Frauennetzwerke zu leisten, bis Genderparität im privaten Bereich erreicht sein wird.
Neben ihrer Vertretung gesellschaftspolitischer Zielsetzungen über den Horizont ihres spezifischen Interesses hinaus besteht eine weitere Gemeinsamkeit von Frauennetzwerken in ihrer hohen Abhängigkeit vom jeweiligen politischen Kontext. Als Faustregel ist festzuhalten, dass Frauennetzwerke in liberalen Demokratien mit wohlfahrtsstaatlicher Orientierung deutlich bessere Chancen haben, sich in der Politik Gehör zu verschaffen und ihre Anliegen durchzusetzen als in autoritären Regimen, Autokratien oder unter populistischen Regierungen. In Anbetracht des weltweiten Bedeutungsrückgangs „der Linken“ bzw. des Linksliberalismus und der zunehmenden Popularität „der Rechten“ bzw. des autoritären Populismus in der Politik ist von schwierigeren Zeiten für Frauennetzwerke auch in Europa auszugehen. Schon in den 1930er Jahren wurden unter der Herrschaft autoritärer und/oder faschistischer Regierungen in europäischen Ländern Frauenrechte wieder zurückgenommen und Frauen erneut auf die Rolle als Hausfrau und Mutter reduziert. Postwendend mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland wurden Frauen in Wirtschaft und Wissenschaft degradiert und von Führungspositionen ausgeschlossen. In jüngster Zeit hat in Polen die rechts-konservative PiS-Regierung – Prawo i Sprawiedliwość, zu Deutsch Recht und Gerechtigkeit – als eine ihrer ersten Amtshandlungen die Förderung für die universitäre Genderforschung gestrichen. Und seit PiS an der Regierung ist, wurde die Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch in Polen sukzessive verschärft.

Mit solchen Restriktionen sehen sich Frauennetzwerke hierzulande bisher (noch) nicht konfrontiert. Allerdings wird bei einem Blick zurück auf die Anfänge und Entwicklung ausgewählter Frauennetzwerke in Deutschland auch deutlich, dass Geschichte keineswegs linear verläuft und mitnichten von kontinuierlichen Zuwächsen in puncto mehr Demokratie und Gendergerechtigkeit auszugehen ist. Die folgenden Fallbeispiele verdeutlichen die Abhängigkeit der Frauennetze von ihrem jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Umfeld. Auch wissen wir zu Genüge, dass sich Frauennetzwerke als freiwillige Vereinigungen nicht grundlegend von anderen Nonprofit- und/oder Bewegungsorganisationen unterscheiden und insofern auch mit deren klassischen Problemen zu kämpfen haben, angefangen bei ihrer Ressourcenabhängigkeit bis hin zur aktuellen Personalnotlage, die sich infolge der zunehmenden Volatilität des bürgerschaftlichen Engagements sowie der Schwierigkeiten ergeben, Engagierte als ehrenamtliches Personal für die Übernahme von Leitungsaufgaben zu gewinnen.
Die Politikwissenschaft gilt als Wissenschaft von der Macht.
Bei den Fallbeispielen handelt es sich um den Deutschen Juristinnenbund als traditionsreiches Frauen- und Professionsnetzwerk, das sich inzwischen zu einem zentralen Verband und Think-tank entwickelt hat, dessen Expertise bei allen die Lebenswelt von Frauen betreffenden Gesetzgebungsverfahren von der Politik nachgefragt wird. Das Fallbeispiel „Pecunia“ als ein Netzwerk von Erbinnen beleuchtet einen spezifischen Aspekt des Engagements von Frauen. Es geht darum, wie Frauen mit Vermögen umgehen und wie sie es nachhaltig und gesellschaftlich relevant einsetzen. Am Beispiel des Frauennetzwerkes im Fachverband der Politikwissenschaft wird das „Bohren dicker Bretter“ verdeutlicht. Die Politikwissenschaft gilt als Wissenschaft von der Macht. Kein Wunder, dass es Frauen hier nicht einfach haben, zumal wenn sie versuchen, einer feministischen Sicht auf Staat, Verwaltung und Politik in der wissenschaftlichen Community Sichtbarkeit und nachhaltig Präsenz zu verschaffen.
Der Deutsche Juristinnenbund
Beim Deutschen Juristinnenbund handelt es sich um ein mitgliederstarkes Netzwerk von Juristinnen und Wirtschaftswissenschaftlerinnen, dessen Zielsetzung in der Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und in der Fortentwicklung des Rechts auf dem Gebiet der Gleichberechtigung und Gleichstellung der Frau in Gesellschaft, Beruf und Familie besteht – gemäß djb-Satzung.
Gegründet 1948, ein Jahr vor Entstehung der Bundesrepublik, blickt der djb auf eine Erfolgsgeschichte zurück. Eine seiner prominenten Mitglieder – Elisabeth Selbert – war Mitglied des Parlamentarischen Rates 1948/49. Sie war maßgeblich daran beteiligt, dass der Artikel „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ (GG: Art. 3/2) ins Grundgesetz aufgenommen wurde. Wiederangeknüpft wurde hiermit an die Zielsetzungen der Vorläuferorganisation des djb, dem 1914 gegründeten Deutschen Juristinnenverein. Dieser hatte sich als Teil der bürgerlichen Frauenbewegung vorrangig für die Gleichstellung von Frauen in Beruf und Wissenschaft eingesetzt. Aufgrund der weit verbreiteten Vorstellung, dass Frauen als sogenannte Gefühlsmenschen für anspruchsvolle berufliche Aufgaben ungeeignet seien, wurden sie zwar zum Studium, nicht aber zur Ausübung der Profession in Wissenschaft, Verwaltung oder Wirtschaft zugelassen. Trotz rechtlicher Gleichstellung in der Weimarer Verfassung wurden Juristinnen in den 1920er Jahren die Zulassung als Richterin, Beamtin im höheren Dienst oder Anwältin nach wie vor erschwert. Ab 1933 wurde die Diskriminierung intensiviert. Der Deutsche Juristinnenverein löste sich auf, um der Gleichschaltung zu entgehen.
Heute zählt die Nachfolgeorganisation – der djb – über 4.700 Mitglieder. Er ist in Regionalgruppen und Landesverbänden organisiert, führt zahlreiche Veranstaltungen durch und verfügt über eine mit hauptamtlichen Mitarbeiterinnen besetzte Geschäftsstelle in Berlin. Von einem Netzwerk als Teil der bürgerlichen Frauenbewegung hat sich der djb seit 1948 zu einer weltweit vernetzen Lobbyorganisation für Frauenrechte und Gleichberechtigung entwickelt. Zahlreiche Kommissionen des djb arbeiten kontinuierlich zu frauenpolitisch zentralen Themen. Auch die Nachwuchsförderung wird beim djb großgeschrieben und z. B. durch ein Promotionsstipendium sowie durch Wissenschaftspreise unterstützt.

Dazu zählt unter anderem auch der Jutta-Limbach-Preis, dessen Namensgeberin langjähriges Mitglied des djb und die erste und bisher einzige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts sowie auch die erste Präsidentin des Goethe-Institutes war. Obwohl der djb als Verband äußerst gefragt ist und inzwischen in der Politik bei allen Gleichstellungsfragen und Rechte von Frauen, Kindern sowie Seniorinnen und Senioren betreffenden Gesetzesvorgaben zurate gezogen wird, sind seine gleichstellungspolitischen Zielsetzungen noch nicht erreicht. Fast Parität (47 Prozent Frauenanteil) ist inzwischen zwar bei Gericht – bei Richterinnen und Staatsanwältinnen – erzielt, aber nach wie vor sind weniger als ein Drittel der Führungspositionen in den Landesregierungen und bei den Obersten Bundesbehörden mit Frauen besetzt. In der Wissenschaft ist das Verhältnis noch deutlich schlechter. Jura-Professorinnen sind immer noch eine Seltenheit.
Das Erbinnennetzwerk Pecunia
Das Erbinnennetzwerk Pecunia ist ein Netzwerk, in dem sich Frauen, die ein Vermögen geerbt oder geschenkt bekommen haben, zusammenfinden, um sich gegenseitig zu unterstützen. In dem 1999 gegründeten Netz, seit 2003 ein eingetragener Verein, sind rund 190 Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Mitglied, die – so die Zugangsvoraussetzung – ein ererbtes oder geschenktes Vermögen von mindestens 900.000 Euro nachweisen können. Marita Haibach, die Selbsthilfegruppen für vermögende Erbinnen in den USA bei den Recherchen für ihre Dissertation kennenlernte, brachte die Idee nach Deutschland und war an der Initiierung des Erbinnennetzwerks aktiv beteiligt. Auch ihr Buch „Frauen erben anders: Mutig mit Vermögen umgehen“ (2001) spielte dabei eine wichtige Rolle.
Eine große Erbschaft bringt für die Erbende erhebliche emotionale und soziale Folgen mit sich. Außenstehenden mag plötzlicher Reichtum als ungeheures Glück erscheinen, doch viele der Betroffenen empfinden zumindest am Anfang ihr Erbe eher als Bürde. Heftige innere Konflikte werden oft begleitet von handfesten Auseinandersetzungen mit den anderen erbenden Familienangehörigen. Wenn jemand vermögend ist, so hat dies Auswirkungen auf das gesamte persönliche und gesellschaftliche Umfeld – ob Lebenspartnerinnen und Lebenspartner, Kinder, Freundinnen oder Kollegen. Zudem ist ererbtes Vermögen mit vielen praktischen Herausforderungen verbunden: Vermögensanlage, Umgang mit Unternehmensanteilen, Verwaltung von ererbten Immobilien. Außerdem ist ein sehr wichtiges Thema für viele Erbinnen: Bei welchen der vielen unterstützenswerten Projekten und drängenden gesellschaftlichen Anliegen soll ich mich engagieren?
Wer sich als vermögend outet, muss häufig Schmäh und Neid fürchten. Viele Erbinnen haben im Rahmen von Pecunia erstmals in ihrem Leben offen über ihre Vermögen und ihre damit verbundenen Herausforderungen sprechen können. Pecunia bietet Erbinnen einen geschützten Raum, in dem sie sich wechselseitig über ihre Lebensgeschichten und persönlichen Erfahrungen austauschen können und sich zudem praktische Fertigkeiten für den Umgang mit ihrem Vermögen aneignen können. Neben regelmäßigen Netzwerktreffen in Form von Jahrestagungen und regionalen Treffen bietet das Netzwerk seinen Mitgliedern Seminare und Workshops, informiert zum Umgang zu verantwortungsvollen Geldanlagen. Thematisiert werden auch die soziale Verantwortung der Erbinnen und die Auswirkungen des Erbes auf die eigenen Nachkommen und das Umfeld.
Vermögende, die sich bedeckt halten, nützen der Gesellschaft wenig. Der Austausch im Pecunia-Erbinnennetzwerk hat viele Erbinnen dabei unterstützt, ihren eigenen Weg zu finden, sich dabei auch mit ihrem Erbe kritisch auseinanderzusetzen und konsequenter sowie nachhaltig die Verantwortung für ihr Vermögen anzunehmen. Dies gilt auch für das gewachsene Engagement der Mitglieder von Pecunia als Stifterinnen und Spenderinnen.
Netzwerken im Dienst feministischer Politikwissenschaft und Praxis
1991 gründete eine Gruppe Berliner Politologinnen den Arbeitskreis „Politik und Geschlecht“ in der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW), dem Fachverband der Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftler. Das Netzwerk politikwissenschaftlich und politisch arbeitender Frauen verfolgte sowohl ein qualitatives als auch quantitatives Ziel: zum einen ging es darum, das Thema der Geschlechterforschung in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Gemeinschaft zu rücken; zum anderen galt es, den Anteil von Frauen in der Politikwissenschaft und ihren akademischen Zirkeln zu erhöhen.
Handlungsbedarf für letzteres ergab sich vor allem vor dem Hintergrund der geringen Anzahl weiblicher Mitglieder von 5 Prozent in der Anfangszeit der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW), die 1951 als berufliches Netzwerk gegründet und seitdem eine wichtige Rolle für die Entwicklung des Fachs spielt. Birgit Sauer, eine der ersten Gender-Forscherinnen im deutschsprachigen Raum, argumentierte, dass die Zugehörigkeit zur DVPW in den frühen 1990er Jahren sich wie eine Art Vorhölle für Akademikerinnen anfühlte, vor allem für diejenigen, die sich für Gender-Fragen interessierten. Doch dies sollte sich nach und nach ändern.
Die mit dem Arbeitskreis „Politik und Geschlecht“ einhergehende Vernetzung zwischen Politikwissenschaftlerinnen, politischen Verbänden, Institutionen sowie der theoretischen und praktischen Arbeit von Frauenprojekten spiegelt sich zunehmend in der Zahl weiblicher Mitglieder der DVPW wider: Waren es 1992 noch 11 Prozent, stieg ihr Anteil 1997 auf 18 Prozent und erhöhte sich 2014 auf 29 Prozent und 2017 auf 32 Prozent.
Vom Arbeitskreis gingen eine ganze Reihe von Initiativen mit der Zielsetzung aus, Frauen in der Politikwissenschaft sichtbarer zu machen sowie dem feministischen Blick auf Politik und Wissenschaft einen prominenteren Stellenwert im Fach wie auch der allgemeinen Öffentlichkeit zu verschaffen. Dazu zählt die Initiierung von Buchreihen zu feministisch politikwissenschaftlichen Themen in renommierten Verlagen. Ganz besonders galt dies für den ab 1992 zweimal jährlich erscheinenden Politologinnen-Rundbrief. Dieser wurde von der Berliner Regionalgruppe des Arbeitskreises herausgegeben, um Frauen innerhalb und außerhalb der Hochschulen einen Informationsaustausch und die Diskussion zu feministisch-politologischen Themen zu ermöglichen.
Mit der Umbenennung des Rundbriefes in „Femina Politica – Zeitschrift für feministische Politik-Wissenschaft“ und die Umgestaltung des Layouts in ein Zeitschriftenformat wurde 1997 ein wichtiger Professionalisierungsschritt getan, der maßgeblich von Gabriele Wilde forciert wurde. Seither ist die „Femina Politica“ die erste feministisch-politikwissenschaftliche Fachzeitschrift im deutschsprachigen Raum und gilt als ein Meilenstein für die Publikationspolitik innerhalb der politikwissenschaftlichen Geschlechterforschung. 1999 wurde die Redaktion der „Femina Politica“ mit dem Margherita-von-Brentano-Preis der Freien Universität Berlin ausgezeichnet und erscheint seit 2005 im Verlag Barbara Budrich.
Bis heute ist es ein zentrales Anliegen der „Femina Politica“, kritischem Denken Raum zu geben. Als Teil eines breiten Frauennetzwerkes geht es der Redaktion um die Veränderung und Transformation von geschlechtlichen Machtverhältnissen, die mit anderen sozialen Ungleichheitsstrukturen in einer dynamischen Wechselbeziehung stehen. Zum Selbstverständnis der „Femina Politica“ gehört darüber hinaus, politiktheoretische Ansätze und Fachdebatten feministisch zu ergänzen, zu reformulieren oder auch anzustoßen. Mit thematischen Schwerpunktausgaben zu Wohlfahrtsstaaten, Rechts- und Verfassungsthemen, Innovationspolitik, autoritärem Populismus und Friedens- und Konfliktforschung interveniert die Zeitschrift in den politikwissenschaftlichen und politischen Mainstream und steht damit für eine Rekonzeptionalisierung politikwissenschaftlicher Ansätze sowie für die Weiterentwicklung feministischer Theorien.
Marita Haibach ist unabhängige Beraterin und Autorin für Philanthropie und Fundraising. Gabriele Wilde ist Professorin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster. Annette Zimmer ist Seniorprofessorin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster.
Dieser Text ist Teil des Dossiers „Vernetzt – Frauennetzwerke“. Die einzelnen Beiträge des Dossiers werden durch Bilder der Künstlerin Stephanie Jünemann begleitet.