Sonja Müller im Gespräch mit Theresa Brüheim
Bieten regionale Netzwerke von und für Frauen Vorteile gegenüber überregionalen Zusammenschlüssen? Sonja Müller, Initiatorin und künstlerische Leiterin des Frankfurter Kranz – Netzwerk kulturschaffender Frauen in Frankfurt am Main, gibt im Gespräch mit Theresa Brüheim Antwort auf diese Fragen und andere.
Was macht das Netzwerk kulturschaffender Frauen „Frankfurter Kranz“ in Frankfurt am Main aus? Wie ist das Netzwerk aktuell aufgestellt?
Der Frankfurter Kranz ist eine kulturpolitische Initiative. Ein offenes Netzwerk. Ein Netzwerk kann meiner Meinung nach keine Struktur wie ein Verein haben. Es lebt vom Input der Beteiligten, bleibt stets dynamisch und beweglich und passt sich aktuellen Bedarfen und Strömungen an. Ein Netzwerk ist interaktiv, nicht linear, nicht hierarchisch. Man kann ein Netzwerk nicht gründen. Aber man kann die Voraussetzungen schaffen, auf denen Netzwerkarbeit möglich ist.
In diesem Sinne agiert der Frankfurter Kranz derzeit vor allem auf der Basis der folgenden Formate: Der „Frankfurter Kranz Salon“ ist eine Plattform für Ideen, Austausch und Diskurs. Das Prinzip ist einfach: Der Frankfurter Kranz kocht und lädt drei Kolleginnen ein, für einen Abend Gastgeberinnen des Salons zu sein. Die Gastgeberinnen laden je zwei bis drei weitere Frauen ein – aus dem beruflichen Umfeld, geschätzte Diskussionspartnerinnen oder Personen, die man schon immer mal kennenlernen wollte.
Gemeinsame Besuche von Ausstellungen, Ateliers etc. dienen dem konzentrierten Austausch über aktuelle Projekte, dem gemeinsamen Eintauchen in Gespräche über künstlerische Arbeiten, dem offenen Feedback in einem Safe Space.
Das „Frankfurter Kranz Journal“ ist eine Porträtgalerie im Netz. Mit dem Ziel der stärkeren Sichtbarkeit der Frauen und ihren Projekten hat der Frankfurter Kranz während der Pandemie dieses Format entwickelt und bewusst Kolleginnen ausgewählt, deren Lebenswege Haken schlagen, die zwischen selbstständiger und angestellter Tätigkeit springen, die große Projekte initiieren oder freiberuflichen Aufgaben nachgehen. Diese nicht linearen Berufs- und Lebenswege betrachten wir als ein großes Potenzial.
Geplant ist zudem eine begleitende Veranstaltungsreihe mit Live-Interviews und Vernetzungsmöglichkeit. Hinzu kommen ein regelmäßiger Newsletter und eine Facebook-Seite, die rund um die Themen Frauen, Kultur und Kreativwirtschaft informieren und auf eigene Projekte wie auf Veranstaltungen von Kooperationspartnern hinweisen.
Was sind lhre Arbeitsschwerpunkte?
Das Vernetzen: Kontakte vermitteln und Personen miteinander ins Gespräch bringen; eine Plattform schaffen für interdisziplinären Austausch; Anlaufstelle und Ansprechpartnerin sein für Fragen und Anregungen.
Auf welche Erfolge blicken Sie bereits zurück?
Aus einer Initiative heraus entstanden, ist der Frankfurter Kranz heute aus dem Frankfurter Kulturleben, der Kulturpolitik, der Kulturszene kaum mehr wegzudenken und gleichermaßen gefragt bei Vertretern der Politik wie bei den Kulturschaffenden selbst.
Netzwerke sind Gebilde aus Maschen. Je dichter diese Maschen geknüpft sind, desto mehr Möglichkeiten gibt es, Informationen und Wissen zu transportieren und auszutauschen. Dieses Geflecht aus Maschen ist im Laufe der Jahre sehr dicht geworden, die Netzwerkarbeit funktioniert, teils weit über das hinaus, was ich persönlich überblicken kann.
Ein Netzwerk ist interaktiv, nicht linear, nicht hierarchisch.
Welche Vorteile, aber auch Nachteile bietet ein regionales Netzwerk wie Frankfurter Kranz insbesondere auch gegenüber überregionalen Netzwerken aus lhrer Perspektive?
In Frankfurt ist die Kulturszene überschaubar. Das ist keineswegs negativ gemeint. Die Innenstadt ist klein, die großen Kulturinstitutionen liegen nahe beieinander, wichtige Galerien konzentrieren sich in einer Straße, man kennt sich. Das hat den Vorteil, den Fokus des Netzwerks auf eine interdisziplinäre Vernetzung konzentrieren zu können – Künstlerinnen, Autorinnen, Kolleginnen aus der Filmbranche oder der darstellenden Kunst, aber auch aus Architektur oder Design. Man muss Schwerpunkte setzen. Man kann nicht alle mit allen vernetzen. Mir ist wichtig, dass die Kolleginnen einen intensiven inhaltlichen Austausch führen können, sich regelmäßig wiedersehen, sich nachhaltig vernetzen.
Welche lmpulse nehmen Sie in lhrem Netzwerk wahr? Können Sie Themenschwerpunkte identifizieren, die in lhrem Netzwerk aktuell an Bedeutung gewinnen?
Eines der wichtigsten Themen von Beginn an und bis heute ist die Frage nach den Arbeitsbedingungen im Kulturbetrieb – allen voran den Finanzen: Kalkulation und Durchsetzung von einigermaßen akzeptablen Honoraren, Finanzierung von Kulturprojekten. Auch nach 15 Jahren Netzwerkarbeit sind die Fragen und Probleme die gleichen. Hier gibt es noch sehr, sehr viel zu tun.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse in lhrer bisherigen Netzwerkarbeit?
Wie wichtig der persönliche Austausch ist. Wie wichtig das stetige miteinander im Gespräch bleiben ist. Wie wichtig die Präsenz auf Kulturveranstaltungen ist. Und dass es keineswegs obsolet ist, die immer wieder gleichen Fragen und Themen zu definieren, zur Sprache zu bringen, öffentlich zu machen, zu diskutieren. Das Fazit: Wer mit seinen Projekten und seiner Arbeit sichtbar ist, hat auch Macht und Einfluss in der Stadtgesellschaft.
Sonja Müller ist Kunsthistorikerin, Kuratorin, Kulturmanagerin, Autorin, Initiatorin und künstlerische Leiterin des Frankfurter Kranz – Netzwerk kulturschaffender Frauen in Frankfurt am Main. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
Dieser Text ist Teil des Dossiers „Vernetzt – Frauennetzwerke“. Die einzelnen Beiträge des Dossiers werden durch Bilder der Künstlerin Stephanie Jünemann begleitet.