Das Frauenkulturbüro NRW ist Vorreiter der Gleichberechtigung im Kulturbereich
Das Frauenkulturbüro NRW betrieb schon zu einem Zeitpunkt Lobbyarbeit für die Chancengleichheit von Künstlerinnen als #MeToo noch Zukunftsmusik war. Seit 1991 wird von Krefeld aus Pionierarbeit für Geschlechtergerechtigkeit im Kulturbereich geleistet. Cornelie Kunkat spricht mit der Geschäftsführerin Ursula Theißen.
Cornelie Kunkat: Was waren die Beweggründe für die Gründung des Frauenkulturbüros in NRW? Wer waren die Initiatorinnen?
Ursula Theißen: Die Abgeordnete Brigitte Speth war die Initiatorin. Sie sorgte dafür, dass das Frauenkulturbüro 1991 vom Frauenausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen ins Leben gerufen wurde. Angelehnt an die spartenbezogenen Landesbüros wurde nach ersten Erhebungen, die die eklatante Benachteiligung von Frauen im Kulturbetrieb belegten, das interdisziplinär tätige Frauenkulturbüro gegründet.
Was sind Ihre Arbeitsschwerpunkte?
Kulturschaffende Frauen begegnen in ihren Karrieren besonderen Herausforderungen. Deshalb stärken wir deren Biografien, schaffen Ungleichheiten ab und stellen Öffentlichkeit her. Unser Förderprogramm beruht auf drei Säulen: dem Künstlerinnenpreis des Landes Nordrhein-Westfalen, den Stipendien „Präsenz vor Ort für Musikerinnen mit Kindern“ und dem Internationalen Austauschprogramm für Bildende Künstlerinnen. Diese Schwerpunkte bestehen seit Beginn. Gleichzeitig erarbeiten wir uns immer wieder neue Zielgruppen, indem wir aktuelle Themen aufgreifen, wie z. B. das Thema Game Design, Digitalisierung oder Migration. Neben der Künstlerinnenförderung nehmen wir aktiv die Karrierechancen von Frauen im Kulturbetrieb ins Visier. Unser Leuchtturmprojekt Ende des letzten Jahres war das zweitägige Symposium „Wonderlands – Führungspositionen in den Performing Arts“. In Kooperation mit allen Stakeholdern und Netzwerken der Performing Arts kamen mehr als 200 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus dem deutschsprachigen Raum ins Schauspielhaus Düsseldorf. Die Ergebnisse werden derzeit von uns gemeinsam mit dem Deutschen Bühnenverein aufgearbeitet und weiter konkretisiert.
Wie finanzieren Sie sich?
Wir sind ein vom Land institutionell geförderter, gemeinnütziger Verein. Diese Form bietet uns eine gute Arbeitsgrundlage und steht in der thematischen Ausrichtung auf Landesebene in der Tat einzigartig dar.
Welche positiven Entwicklungen sehen Sie bezüglich der Geschlechtergerechtigkeit? Und welche spezifischen Herausforderungen gibt es heute?
Aus meiner Sicht gibt es eine neue Wahrnehmung auf das Thema Geschlechtergerechtigkeit. Die #Me-Too-Debatte hat dazu geführt, dass sich auch die jungen Frauen wieder mit dem Thema identifizieren und aktiv werden. Es entstehen neue Netzwerke, die ordentlich Druck machen und solidarisch – ohne die Angst um die eigene Reputation – Quotenregelungen und Diversität einfordern.
Die spezifischen Herausforderungen haben viele Gesichter. Künstlerinnen werden vielfach in ihren Karrieren benachteiligt und sie kämpfen weit mehr als Männer mit prekären Arbeitsverhältnissen: Praktika, Volontariate, befristete Jobs mit hohem Arbeitszeitaufkommen und schlechter Bezahlung bei steigenden Mieten, nicht zu vergessen die hohen Ansprüche in Bezug auf die Mobilität und dabei wenig Aussicht auf Festanstellung. Die Künstlerinnen hangeln im Rahmen ihrer Freiberuflichkeit von Job zu Job, und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nach wie vor ein Spagat, der leider vor allem die Frauen trifft. Ein Anteil von 90 Prozent Müttern bei den Alleinerziehenden spricht hier Bände.
Zudem steht die Altersarmut im Zuge der demografischen Entwicklung im Raum. Künstlerinnen sind hier besonders betroffen, da sie, wie wir wissen, in allen Bereichen systematisch, strukturell und substanziell benachteiligt wurden und immer noch werden.
Ist es von Vorteil, auf Landesebene tätig zu sein?
Ja, das finde ich schon. Das Frauenkulturbüro hat bereits in den 1990er Jahren den Kulturrat NRW mitgegründet. Der Zusammenschluss mit den landesweit agierenden Kultureinrichtungen hat sich sehr positiv entwickelt. Wichtige Themen sozusagen über eine Metaebene kulturpolitisch mit einbringen zu können, hat verhindert, dass das Frauenkulturbüro aus der „Nische“ agieren musste. Unsere persönlichen Netzwerke sind stetig gewachsen und erstrecken sich nun über die sehr umfängliche Kulturlandschaft Nordrhein-Westfalens mit seinen 360 Städten und über 500 Gemeinden auf relativ kurzen Wegen. Alle Projekte des Frauenkulturbüros werden in unterschiedlichsten Kooperationsmodellen realisiert – wir haben uns ein Standing erarbeitet.
Was fordern Sie perspektivisch für die nächsten fünf Jahre?
Ohne Quote keine Gleichberechtigung: Die Vergabe von Stellen, insbesondere von Führungspositionen, muss endlich nach einem paritätischen Prinzip ausgerichtet werden, das die tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnisse im Sinne von Diversität und Geschlechtergerechtigkeit abbildet. Zudem sollte eine Zertifizierung eingeführt werden, um Kulturförderung von der Einhaltung der Quotenregelung und weiterer ethischer Standards abhängig zu machen.
Vielen Dank.
Ursula Theißen ist Geschäftsführerin vom Frauenkulturbüro NRW.
Cornelie Kunkat ist Referentin für Frauen in Kultur und Medien beim Deutschen Kulturrat.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6|2019.